Good Riddance: Time stands still

Im ausverkauften B72 belohnte Good Riddance am 09.08.2023 die feiernde Menge mit jeder Menge Hits und Späßen und zeigte mühelos, dass sie als Band noch lange nicht ausgedient haben. NOFNOG (No Fight No Glory) boten davor schon mit ihrem mitreißenden Set genügend Grund zum Schwitzen.

Es wussten schon die Sportfreunde Stiller, dass eine 'Punk Jeans' und ein 'Nietengürtel im Schrank' nie schaden können. Passend auch Skaterschuhe und die weiteren Hosen. Was eben bequem ist und war. So genau ist das ja nicht mit den Kleidervorschriften im Punk/Hardcore. Denn hin und wieder passiert es doch, dass sich die Lieblingsband aus Jugendtagen wieder zusammenfindet und auf Tour geht. Zwar sah man einzelne Mitglieder Solo oder in anderen Formationen spielen, und einige hatten das Glück Good Riddance 2013 zu sehen, doch heute Abend hieß es für Band und Publikum back to the roots. Im kuscheligen, ausverkauften B72, reihten sich hauptsächlich Menschen in ihren, -wie später erhobener Statistik der Kalifornier- späten thirties/fourties. Der Alkohol ging runter wie Öl, vor allem bei den ersten Songs der sympathischen Vorgruppe NOFNOG (No Fight No Glory), bei denen nur die jüngsten Besucher*innen sofort ihren Spaß fanden. Diese starteten nach einigen Stücken der Schweizer die ersten Moshpits "Post Colonialism", "Insomnia", "Ungovernable", und auch "Memories"- mit tollen Wohh-ooh Gang vocals- gingen sofort ins Ohr. Mit ihrem Punk mit Hardcore-Einflüssen, im Stil von Stick To Your Guns, The Story So Far, etc. eroberten Jeri, Fux, Räff und ihr Neuzugang an der Gitarre -Sascha- bis zum Ende schnell den ganzen Laden. Das Quartett bedankte sich mehrmals, dass alle schon so zeitig Vorort waren. Gut so, denn sonst wäre ihnen eine feine Live-Band entgangen.

Anschließend hätte man sich auch gut in einer Zeitschleife befinden können – in den Jahren des aufkommenden Skatepunks, Punk und Hardcore mit Sozialkritik,  als eine geworfene Bierflasche quasi noch als Kompliment galt. Die Absperrung zur kleinen Bühne fehlte, die Bandmitglieder sahen nicht viel anders aus als früher, zu viel Bauchansatz geht heute nicht mehr. Man muss fit bleiben. Die Haare trägt man schon mal als Glatze oder gefärbt und so alt sind Good Riddance wiederum nicht. Die Klamotten sind so gut es geht abgewandelt, – enge schwarze Jeans, hochgezogene Tennissocken, Vans und Sportschuhe- das geht schon durch. Jetzt wo man nicht mehr der ungestüme Punk von früher ist, sondern Familie, ein Restaurant usw. hat. Die Spielfreude ist immer noch ungebrochen, so scherzte die Band schon mit ihren Anhänger*innen vor ihrem Bühnengang, oder die zwei Stufen auf die des B72' hinauf – und bewies gleich einmal, dass mit ihnen jederzeit zu rechnen ist. Auch die Menge ließ es sich nicht nehmen und verausgabte sich -im wahrsten Sinne des Wortes. Die Verstärker und Monitorboxen auf der Bühne rückte man mehrmals aufgrund wilder Pits zurecht, die T-Shirts bei einigen Damen und Herren fielen, das Crowdsurfen zur Bar wurde zum Sport. Man munkelte sogar ein entblößtes Hinterteil gesehen zu haben. Russ Rankin, Luke Pabich, Chuck Platt und Sean Sellers, ganz die eingespielten Showpferde, nahmen es gelassen. Die Amerikaner spielten routiniert weiter, solide, spaßten zwischendurch, selbst als Luke eine Seite riss, die er selbst wechseln musste. Vor allem Platt schien gut drauf zu sein, was auch Rankin immer mehr auftauen ließ. "Disputatio", "Weight of The World", "One for the Braves" und "Fertile Fields" – ein Hit jagte den nächsten, ließ keine Nostalgie aufkommen. Das treibende Schlagzeug, die schnellen, eingängigen Gitarren und Bassriffs, gepaart mit den rotzigen Texten, funktionierten wunderbar an diesem Abend und rissen mit. Die vier Herren aus Santa Cruz zeigten nicht nur so manchen Newcomern, dass sie ganz ohne viel technischen Firlefanz ihre Musik auf die Bühne bringen können. Verschwitzt, durch ein Meer von Flaschen und Scherben, verzog sich die Menge ein Erinnerungs-Shirt kaufend heimwärts, oder für ein Abkühlungsgetränk nach draußen. Auf ein hoffentlich baldiges nächstes Mal mit weniger langem Warten und der Erkenntnis, dass so mancher Knochen doch schon kracht – spätestens am Folgetag.

Stephanie Ambros