Freiheitskämpfer

Ronny Kokert dokumentiert in seinem Buch "Der Weg der Freiheit. Wie ich von Geflüchteten lernte, anzukommen" die Zusammenarbeit mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und wie er selbst zur Ruhe kam. Spannend! Wir besuchten die Buchpräsentation.

Ich treffe Ronny Kokert zufällig schon  auf dem  Weg zur Buchpräsentation, die  in einer großen Buchhandlung auf der Mariahilferstraße stattfindet. Gleich in der Nähe steht er und genießt noch schnell einen Kaffee. „Magst du auch einen?“ fragt er mich freundlich. Ich verneine höflich, gönne ihm die paar Minuten Ruhe noch vor seinem Auftritt und möchte mich selbst noch gerne vorbereiten. Ich bewundere die Gelassenheit, die er ausstrahlt. Kurze Zeit später laufen wir uns dennoch gleich wieder über den Weg, denn Corona bedeutet, ab zur  3-Regel-Kontrolle. Nach dem Passieren, stellt Ronny mir unverzüglich seinen Schützling Abbas vor, von dem ich schon in Konkerts Buch viele tolle Dinge las.  Viel Zeit zum Reden  und Fragen stellen  bleibt mir allerdings nicht, denn wenige Minuten später startet die Präsentation zum Buch ein "Der Weg der Freiheit. Wie ich von Geflüchteten lernte, anzukommen".

Ronny Kokert  kreierte nach einigen „Umwegen“ die Sportart Shinergy. Als Kind warf ihn eine Erkrankung aus der Bahn, er konnte nicht so wie die anderen Kids, er flüchtete in die Wälder und träumte sich dort seine Welt von Samurai. Er begann  sich näher damit zu befassen, absolvierte ein Training und schon bald stellten sich Erfolge ein. Die Turniere, Titel und das ständige Gewinnen brachen ihn fast. Ebenso sein erstes Hamsterrad in punkto beruflicher Hinsicht. Dank seines starken Willens schaffte Kokert es auszubrechen und er entwickelte Shinergy. Eine Kampfsportart, allerdings auch mit genug Platz für den Geist, das Herz und die Emotion.  Das friedliche Lösen von Konflikten in der Bewegung verbunden mit Kampfkunst ist das Ziel.  Ronny schien angekommen und happy mit dem Konzept und auch bei den  Mitgliedern seines Studios fand der Sport Anklang.

Doch dann kam Flüchtlingskrise und einige Zeitungen und Medien und Politiker sprachen von der Flüchtlingswelle, die Europa und auch Österreich überrollte.  Ronny Kokert gingen die Berichte nahe und er wollte nicht wegschauen.  Zuerst sammelte er in seinem Zentrum Kleiderspenden und fuhr diese persönlich ins Aufnahmezentrum nach Traiskirchen, das aus allen Nähten platzte.  Er verteilte Kleidung, Schuhe und Hygieneartikel am Straßenrand, unterhielt sich mit den Leuten.  So ergab es sich, dass bekannt wurde, dass Kokert Kampfsport-Trainer ist. Eine Gruppe von Leuten zeigte sich augenblicklich begeistert, als er anbot  mit ihnen zu trainieren.

So far, so good. Aus der Gruppe bildete sich quasi eine Kerngruppe.  Nicht allen gefiel das Training, bei dem auch Achtsamkeit dazugehört. So gibt es  zum Beispiel  Atemübungen oder eine Stehübung. Aggression ist nicht das Ziel. Einmal kam es zu einem Projektstopp und Ronny hinterfragte sein Tun, entschloss sich anschließend für die anderen weiterzumachen. Die konnten letztlich nichts dafür, wenn jemand, aus der Randgruppe in eine Schlägerei gerät. Für die rechte Politik, war das Projekt der „Freedom Fighters“ sowieso ein gefundenes Fressen. Der Trainer konterte allerdings schon bald mit positivem Gegenwind. Seine Schützlinge übten wie besessen und es war und ist ein Vergnügen ihnen zuzuschauen.  Mit dem nötigen Einsatz und Kontakten gingen einige obendrein bei Wettkämpfen an den Start, holten Medaillen und wurden sogar Staatsmeister.  Im Nacken die Angst einen negativen Abschiebungsbescheid zu bekommen.
Ronny Kokert berichtete über darüber hinaus, wie er einige seiner „Freedom Fighters“ zu ihren Anhörungen begleitet, versucht ihnen durch die Hürden der Bürokratie zu helfen.

Zurück bei der Buchpräsentation sitzen nun Abbas Salih, Hussein Rasa, Zubair Hussaini auf der Bühne. Es ist beeindruckend, was die jungen Männer in ihrer Zeit in Österreich alles erreicht haben. Alle stellen sich selbst auf Deutsch vor, obwohl sie der bescheidenen Meinung sind, nicht so gut zu sein. Ohne Frage kann sich so mancher Einheimische*r eine Scheibe abschneiden. Sie  berichten von ihren Jobs/ihrer Schule/Lehre, ihren Wünschen,  und  die Staatsmeister und  den Weltmeistertitel flüstern sie fast. Hussein berichtet von seiner schrecklichen Flucht im Alter von 14 Jahren, wie er seine Familie zurücklassen musste.  Es ist schrecklich. Noch schlimmer ist, dass die Taliban gerade wieder an die Macht gekommen sind. Schon wieder in sein Dorf eingefallen sind.  Viele Besucher*innen kämpfen alleine vom Zuhören mit den Tränen, doch wie muss sich das erst für Betroffene selbst anfüllen?! Mitleid wollen sie jedoch nicht. Lediglich verstanden werden. Die drei jungen Männer versuchen genau das auch verständlich zu machen und ebenfalls wie dankbar sie für das Projekt  „Freedom Fighters“ und die Auszeiten dort sind.  Sie stellen an diesem Abend extra nochmals klar, dass sie Personen wie du und ich sind und niemand etwas wegnehmen.  Das der Alltagsrassismus nicht gerade angenehm ist. Eine engstirnige Person im Publikum lässt sich von ihrer Meinung, wie es scheint,  trotzdem so gut wie nicht abbringen. Selten habe ich mich so fremdgeschämt. Kokert schreibt mir später, ich soll bloß nicht den Mut verlieren, nicht aufgeben. Das hat er auch nicht.

In seinem Buch "Der Weg der Freiheit. Wie ich von Geflüchteten lernte, anzukommen" machte sich der Ronny ein Bild von der Lage im Flüchtlingslager Moria.  Abermals  versuchte er vor Ort zu helfen, den Menschen einen Kampfsportkurs zu geben, eine Abwechslung, aber er dokumentierte ebenso die menschenunwürdigen Zustände in und um das Lager. Da war von einem Buch noch gar keine Rede.  Umso schöner ist es nun darüber und  den Beginn der Reise, die Höhen und Tiefen nachlesen zu können.  Es ist ein Werk, das inspiriert, emotional ist, ohne kitschig zu sein oder Personen sozial bloß zu stellen und vor allem eines, bei dem man so viel lernt.


Der Weg der Freiheit. Wie ich von Geflüchteten lernte, anzukommen
von  Ronny Kokert
erschienen bei Kremayr & Scheriau
gebundene Ausgabe, 192 Seiten, 22€

Stephanie Ambros