"Leute buchen dich nur mit genügend Followers!"

Bevor die englische Band Tigress als Supportband ihr Set im Flex spielte, trafen wir ihre Gitarristen Sean und Tom zum Interview. Wir sprachen mit ihnen über den Soundwechsel, die Studioarbeit mit Max Helyer, Unsicherheiten im Medienzeitalter und ihr Musikvideo.

Im Flex herrschte reges Treiben, denn immerhin mussten drei Bands ihren Soundcheck durchführen und ihr Equipment ein- und ausladen. Kurzerhand spazierten wir mit den Tigress-Gitarristen Sean Bishop und Tom Harrison ein paar Meter auf der Promenade des Donaukanals entlang, um uns eine Sitzmöglichkeit für unser Interview zu suchen. Während ihre Bandkollegen Katy Jackson (Gesang), Jack Divey (Schlagzeug) und Josh Coombes (Bass) in der Halle sich um die letzten soundtechnischen Feinheiten kümmerten, erzählten uns die zwei jungen Herren aus England, dass sie ab diesem Abend an der Reihe waren, als erste Band auf die Bühne zu gehen. Die erste Hälfte der Tour hatte Decade diesen Slot inne, weshalb es heute das Quintett ein bisschen stressiger hatte. Doch alles halb so schlimm, denn in ihrem Apartment fand sich überraschenderweise sogar ein Massagestuhl, wie uns die Zwei begeistert erzählten. Nach ein paar Sightseeing-Tipps von uns für ihren Aufenthalt in Wien und dem Ergattern einer Bank zum Sitzen, begannen wir mit unseren Fragen.

fm5: Vor ein paar Jahren nannte sich eure Band noch The Hype Theory und euer Sound passte in das Poppunk-Genre. Nun ist euer Sound ein bisschen wuchtiger/heftiger, was auch zur Namensänderung auf Tigress führte. Passierte das aus einer natürlichen Entwicklung heraus oder wolltet ihr den Versuch wagen, aus der breiten Masse herauszustechen?

Sean Bishop (Gitarre): Wir schrieben die EP noch als die alte Band und das brachte es irgendwie mit sich. Wir wollten einen neuen Start, denn es passte nicht zu dem, was wir bisher machten und wir dachten, es wäre der richtige Zeitpunkt alles zu ändern.
Tom Harrison (Gitarre): Ich denke, es war eine Hilfestellung für uns. In einem Jahr Tigress machten wir viel mehr als in fünf Jahren The Hype Theory.

Ist The Hype Theory nun für immer Geschichte oder plant ihr in der Zukunft wieder was unter dem Namen zu veröffentlichen?
Sean und Tom: Wir wissen es nicht.

Euer neuestes Musikvideo zu "Give Me A Chance" ist interessant, weil in diesem lauter Körperteile vorkommen und ihr dieses Motiv auch im Design eurer Website aufgreift. Was hat es damit auf sich?
Sean: Die Idee davon ist, dass es von den Leuten frei interpretierbar ist. Wir haben unsere eigene Idee dahinter.
Und die wäre?
(überlegt)
Alleine sein, etwas versuchen zu tun und die Langeweile loszuwerden...Die Weltlichkeit des Lebens, denke ich.
Es ist auf jeden Fall sehr interessant…
Tom: Es ist alles Do It Yourself.
Wir lasen über diese DIY Ambition. Es gab ein Interview, in dem eure Sängerin (Katy Jackson) über eben dieses Video sagte, dass es euch half Unsicherheiten zu überwinden und ihr selbst zu sein.
Sean: Ich glaube das bringt das heutige Medienzeitalter mit Social-Media und all dem zusammen mit sich.
Jeder schaut auf sein Mobiltelefon und sieht die Highlights aus dem Leben anderer Menschen und es macht sie unsicher über ihr eigenes Leben.
Im Moment gibt es viele Menschen mit Angst, Beklemmungen und all diesen Dingen.... Und wir versuchten das aufzugreifen. Immerhin dreht sich nicht alles um facebook und das ganze Zeug. Sondern du willst auch mal im Moment leben.
Richtig, speziell wenn du ein Musiker bist.
Sean: Für uns läuft das ein wenig anders, da wir in einer Band sind.
Tom: Ich denke wenn ich kein Musiker bin, würde ich es in dieser Form benutzen.
Sean: Es ist gut, wenn einem das bewusst ist. Manche Leute realisieren das nicht.
Stimmt es gibt genug Leute, die nebeneinander sitzen und auf ihre Handys starren…
Sean: Die gehen dann hier und landen direkt im Fluss. (editor's note: gemeint ist der Donaukanal)
(Gelächter)
Tom: Oder beim Pokémon Go spielen...(lacht)
Sean: (gluckst vergnügt) Ja Pokémon Go!
Tom: Dann realisiert man, wie viel man auf seinem Handy ist.
Habt ihr je versucht, eure Telefonzeit zu stoppen wie lange ihr am Telefon seid?
Sean: Nein, ich wäre entsetzt. (lacht)



Eure EP Human entstand in Zusammenarbeit mit Max Helyer (Gitarrist bei You Me At Six) und Romesh Dodangoda (Producer/ Mixer u.a. Mixer für Kids In Glass Houses, Twin Atlantic, Bring Me The Horizon u.v.m. ). Wie waren die Aufnahmen und wie forderte euch dieses Gespann und speziell Max heraus?
Tom: Es war sehr herausfordernd.
Sean: Es trieb uns an bessere Songs zu schreiben. Wir kamen mit Ideen ins Studio und er meinte dann versucht das, ändert diesen Teil...Das tat uns gut, denn es spornte uns zu härterer Arbeit an.
Die neuen Songs, an denen wir gerade werken, sind dann wieder ein neuer Schritt für uns. Das macht Spaß.
Tom: Dieses Mal ist alles anders. Es gab kein Co-Writing und wir erledigten alles selbst. Ein bisschen mehr DIY mit Allem.
Sean: Es war eine tolle Möglichkeit und er zeigte uns Ideen auf.

Wie schreibt ihr? Setzt ihr euch hin und sagt heute schreiben wir einen Song?
Tom: Manchmal ja.
Sean: Für gewöhnlich läuft es so ab, dass wir auf unseren Laptops schreiben und uns Gitarrenriffs oder Ideen für die Gitarren oder Drums dann mailen.
Also ihr fangt meistens mit der Musik an?
Sean: Ja. Es ist sehr rar, dass wir mit einem Text starten. Normalerweise beginnen wir mit der Musik und Katy hört es sich an um den Vibe zu bekommen, ob es ein düsterer Sound oder was auch immer ist und schreibt dann die Texte.
Wie würdet ihr euren Sound beschreiben für jemand, der noch nie von euch gehört hat?
Tom: Alternative – Female-Fronted Rock. Einfach eine Rockband...
Sean: (überlegt) Wir mögen Nirvana ...
Tom: Und Queens Of The Stone Age...
Das kann man ein bisschen in den neuen Sachen hören.
Sean: Ich würde gerne in diese Richtung gehen, quasi eine Art neuere Version davon.

Wer hatte die Idee zu eurem neuen Bandnamen?
Tom zu Sean: Das warst du!
Wir hörten/lasen in einigen Interviews, dass ihr etwas Weibliches und Kraftvolles wolltet.
Sean: Stimmt genau! Sobald man ein Mädchen in der Band hat, ist das immer ein Fokuspunkt, weil es in der Musikindustrie eher unüblich ist. Wenn ihr euch die Festival- Line Ups anschaut, könnt ihr die Anzahl der Bands mit Frauen an einer Hand abzählen.
Das ist richtig. Meistens Bands wie Paramore, Tonight Alive, etc.
Sean: Genau. Und wir wollten unterstreichen, dass wir ein Mädel in der Band haben und den Leuten den Wind aus den Segeln nehmen.
Bekamt ihr durch den Bandnamen dann nicht noch mehr dieses Phänomen von der im Mittelpunkt stehenden Sängerin und ihren Burschen im Hintergrund zu spüren?
Sean: (lacht) Ich weiß nicht. (überlegt) Eigentlich gar nicht so viel.
Mit The Hype Theory war es viel häufiger. Meiner Meinung nach ist es jetzt weniger.
Tom: Das finde ich auch. Es passiert nicht so oft und die Leute scheinen einfach die Musik zu mögen.
Sean: In der Band herrscht ein ziemliches Gleichgewicht. Jack möchte vielleicht ein paar Fans mehr, ein paar Groupies mehr. (lacht)
(Allgemeines Gelächter)
Tom: (lacht immer noch): Seine Zeit wird kommen!
Sean: Ich mag auch ein paar mehr. Ich fühle mich ein bisschen ausgeschlossen.
Tom: Du hattest doch dieses nette Facebook Comment!

Wie fandet ihr als Band zusammen?
Tom: Der Großteil von uns ging auf die gleiche Uni.
Sean: Zum Schluss stieß unser Bassist Jack zu uns. Wir spielten ein Konzert in seiner Heimatstadt, allerdings ohne Bassisten, denn unser damaliger konnte nicht kommen. Er meinte dann, er könne Bass spielen uns würde es für uns tun. Und so haben wir ihn rekrutiert.
Tom: Gewissermaßen. Zuerst lachten wir über ihn, nach dem Motto "du bist nur ein besoffener Idiot, geh weg!". Wir ließen ihn vorspielen und er war tatsächlich gut und wir dachten, vielleicht ist das der richtige Typ für den Job und alles hat super geklappt.

Eure neue EP Like It Is wird am 12.05 veröffentlicht. Die Leute kennen schon ein paar Songs davon, was können sie vom Rest erwarten?
Sean: Mit "Power Lines" und "Give Me A Chance" sind mittlerweile zwei Tracks von der EP bekannt.
Zu letzterem veröffentlichten wir vor kurzen ebenfalls ein Video.
Es gibt noch drei Titel, denn die EP besteht aus fünf Liedern. Wir spielen momentan so ziemlich alle Songs auf Tour. Also wenn du schon eine der Shows gesehen hast, dann hast du mit großer Wahrscheinlichkeit schon die EP gehört.
Irgendwann kommt demnächst noch eine Live/Akustikversion heraus.
Wir nahmen eine richtig coole Akustikversion von einem der Songs im Studio auf. Mit einem Cello und Klavier. Es klingt ziemlich cool.
Tom: Ja hat Spaß gemacht.
Sean: Es stehen also noch einige coole Sachen auf dem Plan.



Was mögt ihr lieber: Akustisch spielen oder ein Konzert mit voll aufgedrehten Verstärkern?
Tom: Ich bevorzuge ein Konzert.
Sean: Ein Konzert!
Tom: Du bist sehr ungeschützt, wenn du akustisch spielst und jeder kann jeden Fehler hören.
Sean: Insbesondere, wenn du es im Studio spielst, musst du es in nur einer Aufnahme perfekt hinbekommen.
Das ist sehr schwierig umzusetzen...(kurze Pause) Für uns!
Tom: (lacht)
Vor allem wenn du nicht jeden Tag Klavier spielst. Hauptsächlich spiele ich Gitarre und das Klavier ist nur ein Nebeninstrument für mich.
Unser Produzent Pete sagte mir gleich zu Beginn: "Das ist ein Schmarren. Dein Klavierspiel ist furchtbar, bitte übe!" Danach übte ich jeden Tag viel im Studio. Gegen Ende meinte er dann schlussendlich, dass es jetzt ziemlich gut ist. (lacht unsicher)
Sean: (lacht) Practice makes perfekt kids!

Habt ihr einen Lieblingssong im Moment den ihr gerne live spielt?
Tom: Ich mag "Headaches".
Sean: Ich spiele gerne "Power Lines".
Tom: Ohh!
Sean: Ja, unterschiedliche Songs. Headaches macht mir aber auch Spaß.
Tom: "Headaches" ist großartig, denn das bisherige Publikum bei dieser Tour war toll und ging mit, wenn wir zum Beispiel von ihnen wollten, dass sie springen. Sowas ist super. Wir haben Videos mit Meeren von springenden Leuten.
Sean: Gestern Abend war es hervorragend, denn bei einem unserer langsamsten Songs brachten wir alle dazu ihre Handylichter aufzudrehen und die Geräte zu schwenken. Es war wie ein Lichtermeer.
In der Veranstaltungshalle drehten sie das Licht ab und so war der Raum nur mit den Telefonen beleuchtet. Das war sehr cool.
Tom: Ja das war toll!

Katy hat einen recht erfolgreichen YouTube-Kanal. Würdet ihr sagen, dass das eurer Band geholfen hat?
Sean: Ich weiß es eigentlich nicht.
Tom: Ich denke es bringt definitiv Leute zu Bands.
Sean: Es ist eine Symbiose und funktioniert Hand in Hand in beide Richtungen. Die Band hilft dem YouTube-Kanal und vice versa. Es ist eine ganz schöne Beziehung.
Ist es nicht schwer die ganzen Social Media-Kanäle im Auge zu behalten?
Tom: Oh Gott. Das ist es wirklich.
Sean: Es sind so viele, zu viele mittlerweile. Ich versuche mich nur auf ein paar zu konzentrieren- Twitter und Instagram sind mein Ding. Der Rest, so wie Snapchat usw. ist mir nicht wichtig.
Tom: Ich hole Snapchat nur gelegentlich für die Benutzung eines Filters oder so raus. (lacht)
Denkt ihr es ist möglich für eine Band, ohne Social Media-Kanäle auszukommen?
Tom: Nicht in dieser Zeit.
Sean: Meinst du, da ist kein Social Media für alle oder nur für uns nicht?
Nur für euch…
Sean: Für uns ist es unmöglich.
Tom: Ich glaube, außer du bist eine Punk Band, dann findest du vielleicht einen anderen Weg.
Sean: Leute buchen dich nur, wenn du genügend Followers hast. Sie schauen deine Social Media-Kanäle an und gehen dann nach dem Schema -"Oh wie viele Followers hat diese Band? Oh ja, lasst uns sie zu einer Show buchen. Oder: oh sie haben niemanden, sie sind möglicherweise Mist..."- vor.
Tom: Obwohl es könnte ein neues Ding werden...
Sean: Aber es gibt ein paar Bands die es ohne machen...Diese eine Band hat gar nichts, wie heißt sie noch gleich? (überlegt)
Tom: (lacht) Das ist das Problem, du findest sie nicht, denn sie sind nicht auf Social Media. Aber wir werden sie nachher suchen und sie finden.

Hat sich eure Fanbase durch das Touren mit verschieden Bands geändert und/oder vergrößert?
Sean: Absolut. Wir sind jetzt eine Woche mit Counterfeit unterwegs und es half uns so sehr.
Wir gewannen schon einige neue Fans. Die Counterfeit Fans sind toll, denn sie hießen die Supportbands genauso willkommen. Für gewöhnlich spielst du im Vorprogramm einer Band und deren Fans sind die Supportbands egal. Diese Tour war bis jetzt absolut wunderbar.

Was steht als nächstes für Tigress auf dem Plan?
Sean: Wir spielen in der Festivalsaison auf ein paar Festivals.
Tom: Wir planen den Release von einen neuen Musikvideo.
Sean: Nachdem wir die EP draußen haben, machen wir ein Musikvideo zu einem der Songs.
Tom: Und hoffentlich gehen wir mit Like It Is noch mehr auf Tour.
Sean: Ich hoffe dann im Herbst.
Tom: Weiters wollen wir neue Musik schreiben.
Sean: Genau, wieder zurück ins Studio gehen und dann ist eh Weihnachten.

Gibt es Pläne für ein erstes Album?
Sean: Wir denken noch darüber nach, ob wir eine Art weitere EP machen und ob es überhaupt die richtige Zeit wäre, ein Album herauszubringen.
Tom : Im Grunde genommen müssen wir viele, viele Songs schreiben und dann können wir eine Entscheidung treffen.
Sean: Ungefähr an die 50 Songs. Das ist viel zu schreiben.
Tom: Das ist erbarmungslos. Das heißt Arbeit, Arbeit, Arbeit!
Ihr könnt ja einen Song über Wien schreiben, dann hättet ihr schon einen weniger.
Sean: Ja ein schöner Ort. Wir bekommen definitiv Inspiration vom unterwegs sein, sahen schon ein paar coole Plätze.

Möchtet ihr den Lesern von fm5 noch etwas sagen?
Sean und Tom: Schaut auf Spotify, Youtube, Facebook, Twitter, Instagram und unserer Website vorbei. (Links siehe unten!)
Sean: Und unsere EP Like It Is erscheint am 12. Mai 2017.
Tom: Hört rein und sagt es euren Freunden weiter!!!

Danke für eure Zeit und das Interview!
Tom und Sean: Danke, dass ihr uns interviewt habt!

Weitere Mitarbeit : Janis Giovanett - fm5 Redakteur/Fotograf

 

Stephanie Ambros
Gerda
Doblhammer