Verschlungene Waldwege

Jessica Lind gelingt mit "Mama" ein spannungsgeladener und unvergleichlicher Roman über die Parabel der Mutterschaft. Schaurig-schön, unheimlich, zwischen Traum und Wirklichkeit.

Die Leserschaft merkt, dass Jessica Lind ein Drehbuchstudium von der Filmakademie Wien hat und  im filmischen Bereich schon einiges an tollen Erfahrungen sammeln konnte. Ihren Roman "Mama" könnte man sich durchaus gut als Film vorstellen. Das Werk ist zwar nicht wie ein Drehbuch geschrieben, die Kapitel dafür eher minimalistisch, dafür sind diese kraftvoll und überaus bildreich beschrieben. Das Buch basiert zudem  auf einer Kurzgeschichte, bei der die Autorin 2015 bei der "23. open mike" als Gewinnerin von der Bühne ging. Der Wald ist für Lind etwas Besonderes und hat für die Schriftstellerin eine gewisse Faszination, wie sie in einigen Interviews bekannt gab. Als Landkind hatte sie den grünen Spielplatz für Mutproben und Ähnliches gleich um die Ecke. Auch heute noch verspürt Jessica Lind das Aufgehoben sein und die Bedrohung im Wald gleichermaßen.

Ihre Figuren verfrachtet sie ebenso in den Wald, der bald ebenfalls diese beiden Gegenteile ausstrahlt. Die friedliche Lichtung und der dunkle, gefährliche Wald, in dem man sich verlaufen kann, aus dem Böses treten kann, oder ist es doch Einbildung?!

Die Charaktere lehnte die Autorin, laut eines Interviews, an eine Idee der Schauspieltechnik im russischen Theater von Wsewolod Meyerhold an. Die Leser*innen erhalten im Buch somit kaum eine Biografie der Figuren außerhalb des Waldes. Die Funktion der Figuren steht im Vordergrund, nicht die Lebensgeschichte. Es gibt kaum Beschreibungen zu ihren Aussehen und sie definieren sich viel mehr durch ihre Taten, die nicht durch ihr Leben bestimmt sind, sondern aus dem Unterbewusstsein entstehen.

Amira wünscht sehnlichst ein Kind und fährt mit ihrem Partner Josef in die Hütte von dessen Eltern. Der Vater ihres Freundes ist, als dieser 12 Jahre alt war, im Wald verunglückt. Für ihn keine leichte Sache und auch Amira hat in der Hütte und im Wald immer wieder wilde Träume. Es erscheinen ein Wanderer, eine Hündin, eine geheime Lichtung und schließlich ihr Kind auf der Bildfläche. Dazwischen auch immer Szenen aus einem Märchenbuch, das der Vater von Josef geschrieben hat. Die Grenze zwischen Traum und Realität ist ein dünner Faden.

Fazit

"Mama" ist eine Art Parabel der Mutterschaft, nicht immer klar, fast verwirrend, durch den spooky Touch stört das allerdings keineswegs. Die Charaktere sind einerseits beklemmend unnahbar, doch durch ihre geheimnisvolle Weise stört das nicht und macht sie gerade deswegen interessant. Es ist ein Roman, der wegen seines Stils aufregend anders ist und den man schwer aus der Hand legen kann. Jessica Lind beweist, dass sie eine junge, interessante Autorin ist, die man in Zukunft unbedingt auf dem Radar haben sollte.

 

Mama
von  Jessica Lina
erschienen bei Kremayr & Scheriau
gebundene Ausgabe, 192 Seiten, 20€

Stephanie Ambros