Campino - Hope Street

Campino ist mehr als nur ein Liverpool Fan und seine Treue für den Fußballverein ist für manche auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. In Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde gibt er nicht nur einen Einblick in die Welt des Sports und sein Leben, sondern auch Kindheitserinnerungen und das Leben seiner Ahnen.

Das erste Mal auf im Fußballplatz ausgestattet mit Trikot und Fanschal ist für viele Kinder ein Erlebnis und auch dieser Redakteurin – sicher eingepfercht zwischen Onkel und Papa und daneben noch dem Opa-  in guter Erinnerung. Nicht nur das Getümmel auf dem Platz auch das ganze Rundherum beschwört ein eigenes Feeling herauf. Fluchen, Hotdog essen, Fangesänge, Choreografien, gemeinsames Jubeln und Vieles mehr, da kann der Fernseher daheim einfach nicht mithalten. Beim kleinen Andreas Frege besser bekannt als Campino beginnen die Erinnerungen an den Fußball und die Wahl seiner Mannschaft noch bevor die Flimmerkiste überhaupt angestellt wurde.

Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde ist der Titel des Buches und eine oder mehrere Ängste können wir hier vorne weg nehmen. Es geht nicht nur um Fußball, das Werk ist nicht voller Geschichten von der Band und es sind nicht nur private Stories. Es ist ein bunter Mix, manches ist selbstverständlich bekannt, von einigen Dingen gab es Berichte im Fernsehen oder anderen Medien, doch nichtsdestotrotz ist die Mischung gelungen.

Interessant sind zum Beispiel die Kapitel über die Eltern und deren Eltern von Andreas Frege und deren Kriegserlebnisse. Briefe die gefunden wurden.  In einem TV-Beitrag erzählte Campino zwar mal über seine Besuche und Kindheitserinnerungen  in und von England, trotzdem sind diese Abschnitte des Buches sehr rührend und  lustig zu lesen. Selbst neuere Berichte über die Insel sind lesenswert. Der Brexit, Ausflüge, Begegnungen mit Fußballfreunden oder auch dem Stadionsprecher seines Herzensvereins Liverpool, der auf derselben Schule wie Paul McCartney war, sind spannend.

Der Fußball kommt natürlich nicht zu kurz, ist aber auch für Laien so geschrieben, dass es verständlich ist.  Campino beschreibt seine Leidenschaft  voller Herzblut, die er seit seiner Kindheit verfolgt. Erzählt von den traurigen Momenten in der Vereinsgeschichte, von seinen vielen Fußballreisen, versucht sich selbst zu reflektieren, ob manche Trips wirklich notwendig sind, gibt zu, dass er schon mal  auf einem Festival herumschreit, wenn er ein Match nicht sehen kann, weil die Verbindung nicht geht. Weiters  geht der Sänger auch auf seine Freundschaft zu Jürgen Klopp und dessen Familie ein, die sich entwickelt hat.  Ebenso schreibt der Musiker über den Verein  Fortuna Düsseldorf, der ihm auch ein klein wenig wichtig ist. Nur eines ist klar, Bayern München, das ist immer noch nichts für Die Toten Hosen, selbst wenn diese "Feindschaft" auch schon relaxter gesehen wird. Man wird ja schließlich älter. Da wird auch öfters in Österreich Ski gefahren, die englische Staatsbürgerschaft angenommen, ein Haus in England gekauft, und geheiratet.

Fazit

Die Toten Hosen und vor allem ihr Frontman Campino haben eine große Karriere hingelegt und waren gerade auch wieder in den vorigen  Jahren  fast omnipräsent. Nicht zur Freude aller, viele zeigten sich schon genervt. Deswegen wäre ein Werk,  dass eher einem Fanbuch ähnelt,  zwar für die Fans sicher immer noch ein Highlight gewesen, eventuell für Fußballfans des LFC  auch gut lesbar gewesen, doch für den Rest eher zäh. Andreas Frege hat mit Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde allerdings ein Buch geschaffen, das mehr ist als nur ein "Fanbuch" oder eine ausgelutschte Biografie. Sprachlich ist das Buch vielleicht kein Joachim Meyerhoff Band, aber gerade die Kindheitsgeschichten sind extrem kurzweilig und erinnern beinahe ein wenig daran.  Es mag sein, dass man ähnliche Erlebnisse von den eigenen Eltern gehört hat, doch Campino schafft es durch seine Erzählweise, sofort eine Verbindung zum Leser aufzubauen. Gerade die bodenständigen, rührenden Stories, sowie die Überlegungen bei denen sich  Andreas Frege selbst hinterfragt (war es notwendig in der Corona-Zeit zu einem Spiel zu fliegen?), lassen ihn  sympathisch wirken. Gerne mehr!


Hope Street  - Wie ich einmal englischer Meister wurde
von Campino
erschienen bei Piper
gebundene Ausgabe, Hardcover, 368 Seiten, 22,70€
ISBN: 978-3-492-07050-8


Für alle Lesemuffel gibt es das Ganze auch als ungekürzte Lesung als MP3-CD. Zwischendurch sechs Lieder und Bandkollege Kuddel ist an der Gitarre mit dabei.

Am 17.11.2020 stellt Campino sein Buch live im Wiener Burgtheater vor. Der Vorverkauf beginnt am 21.10.2020 via burgtheater.at Nicht verpassen!


 

Stephanie Ambros