Gone With The Wind

Architects und die beiden Vorbands Fit For An Autopsy und While She Sleeps bescherten den Besuchern des Orpheum Graz am 16.08.2017 ein wildes und solides Konzert voller Energie, das sowohl die Stimmung als auch das Thermometer in Höhe steigen ließ. Die besondere Atmosphäre am Schluss sorgte für den krönenden Abschluss.

Um ordentlich zu schwitzen, musste man nicht erst auf das Frequency Festival fahren. Man konnte das auch in kleinerem Rahmen, nämlich in Form eines Konzerts der Metalcore Band Architects. Zusammen mit ihrem Support von Fit For An Autopsy und While She Sleeps brachten sie die Temperatur des Grazer Orpheums auf gefühlte 100 Grad. Deutlich vor Konzertbeginn fand sich schon eine beachtliche Anzahl an Fans in (hauptsächlich) Bandshirts oder in Sea Shepherd-Merchandise ein. Von letzterer Organisation gab es in der Halle einen extra Stand, denn die Band aus Brighton unterstützt die Organisation seit Jahren. Sam Carter ist ist sogar der UK-Botschafter.

Für den ersten Act, die Amerikaner Fit For An Autopsy erschien zwar schon eine anschauliche Menge an Besuchern, trotzdem sollte es an diesem Abend noch merklich voller werden. Die Deathcore-Band aus New Jersey brachte  Songs wie "Iron Moon" und Black "Mammouth" auf die Bühne. Zu letzterem Lied verkündeten sie, dass sie eine Band sind, die immer sagt was sie denkt. Außerdem sprechen sie sich gänzlich gegen Unterdrückung, Ausgrenzung und Rassismus aus. Es sollte egal sein, welche Hautfarbe man hat, wie man aussieht und wem man liebt. Hauptsache man ist frei. Leider ist das in der heutigen Zeit nicht der Fall, aber bei ihrer Show sind alle willkommen. Diese Aussage beklatschten die Besucher selbstverständlich. Sonst war die Reaktion des Publikums auf die Musik sehr gemischt. Auf die Darbietung der Amerikaner musste man sich einlassen können, denn die vocals erwiesen sich hauptsächlich nur als Geschrei und wirkten zu den Gitarren nicht ganz so harmonisch. So war der eine Teil der Konzertbesucher heftig am Headbangen, während der andere Teil verhalten in der Gegend herumschaute.

You Are We!
Wesentlich mehr Fingerspitzengefühl für das richtige Maß an Melodie, bewiesen While She Sleeps aus Sheffield. Einige Fans kamen sogar nur um Loz Taylor (Gesang), Mat Welsh (Gitarre/Gesang), Sean Long (Gitarre/Gesang), Aaran Mckenzie (Bass) und Adam Savage (Schlagzeug) live zu sehen und diese enttäuschten ihre Fans nicht. Es kam ordentlich Bewegung in die Menge, Crowdsurfer bahnten sich ihren Weg nach vorne und Sänger Loz Taylor zeigte sich publikumsnah, indem er zwischendurch auch mal auf die Absperrung kletterte. Die Zuseher machten eifrig mit und einige folgten überdies hinaus der Aufforderung, seinen Freund/seine Freundin auf die Schultern zu nehmen. Auf der Setliste des Quintetts standen Fan-Favourites wie "You Are We", "Brainwashed" und "Four Walls" und die Briten und das Publikum agierten geschickt als Einheit. Mit "Hurricane" von ihrem aktuellen Album You Are We beendeten sie den Auftritt und die Besucher forderten -erfolglos- eine Zugabe. Diese fand aufgrund des Zeitplans nicht statt, denn für 21:40 Uhr war mit Architects der Hauptact angesetzt.

Doch die Enttäuschung darüber währte nicht lange, denn die Vorfreude auf den Hauptact Architects in der Halle war enorm. Pünktlich ging zu besagter Zeit das Licht im Saal aus und die weiße Kugel auf ihrem Banner wurde beleuchtet. Kurz darauf eilten auch schon Sam Carter (vocals), Dan Searle (Schlagzeug), Alex "Ali" Dean (Bass) und die beiden Gitarristen Adam Christianson und Josh Middleton auf die Bühne und legten mit "Nihilist" von ihrem aktuellen Album All Our Gods Have Abandoned Us los und von der ersten Minute an war klar, dass der Frontman die Besucher auf seiner Seite hatte. Wer jetzt noch nicht schwitzte, der tat es spätestens beim Song "Phantom Fear", bei dem Carter alle aufforderte zu springen. "The Devil Is Near" widmete das Quintett Sea Shepherd und Animal Liberation Front, deren Arbeit sie bewundern und die jenen einen Stimme geben, die selbst keine haben. Das "Hey Hey" in dem Lied brüllten natürlich alle laut mit. "Is it okay with you, if we play an older song?",  fragte Sam, der wie seine Bandkollegen ständig in Bewegung war. Natürlich stieß diese Ankündigung auf Zustimmung im gut gefüllten Orpheum und es folgte "Devil‘s Island" von ihrem sechsten Album Lost Forever//Lost Together. Am Anfang wirkten die Zwischenansagen ein wenig zu typisch, vor allem, wenn man die Engländer nicht zum ersten Mal sah. Doch immer wenn sich Sam bedankte, merkte man, wie ehrlich er das meinte und wie sehr sich Architects freuten, dass die Leute für sie herkamen. Das war natürlich ein Ansporn möglichst viel Energie in die Performance zu legen. Carter war schon nach drei Nummern komplett nassgeschwitzt und auch seine Bandkollegen griffen immer wieder nach ihrem Handtuch und ihrem Getränk. Wie es Bassist Ali Dean aushielt bei dieser Hitze in einem schwarzen, langärmeligen T-Shirt zu spielen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes noch relativ "cool" auszusehen, bleibt ein Rätsel. Zwischendurch schossen während den Stücken am Bühnenrand -perfekt abgestimmt-Rauchstränge hoch, die zusammen mit der Lichtshow das Set zusätzlich untermalten. Musikalisch gab es nichts zu bekritteln, außer vielleicht, dass es manchmal schon fast  zu professionell und erprobt wirkte. Allerdings ist das in dem Fall nicht schlecht gemeint und ihnen auch hoch anzurechnen. Immerhin verlor die Band voriges Jahr Gitarrist und Songwriter Tom Searle. Der Zwillingsbruder des Drummers starb im August 2016 im Alter von nur 28 Jahren an seiner Krebserkrankung und hinterließ ein großes Loch. Josh Middleton von der Band Sylosis steht seit dem an seiner Stelle auf der Bühne. Die Band möchte ihren Fans so die Möglichkeit geben ihrer Ehre für Tom Ausdruck zu verleihen. Gitarren, Bass und Schlagzeug der oftmals komplexen Stücke waren auf dem Punkt und Sam Carter- der sowohl für das Screaming zuständig ist, als auch die clean vocals singt- stellte auch an diesem Abend unter Beweis, dass er einer der besten Sänger in diesem Genre ist. Als letztes Lied vor der Zugabe spielten sie "Naysayer", das die Besucher textsicher mitsangen. Danach riefen die Zuseher logischerweise nach einer Zugabe und verstärkten ihre Rufe noch mit Getrampel auf den Abstufungen im Orpheum.

Thank you, Tom!
Daraufhin stimmte die Gruppe "A Match Made in Heaven" an und sorgte mit "Gone With The Wind" -das wie immer Tom Searle gewidmet wurde- für Emotionalität, Gänsehaut und ein paar Besucher hatten Tränen in den Augen. Tom schrieb dieses Lied nämlich (sowie den Song "Memento Mori") über seine Krebserkrankung. Die Andeutungen über seinen Kampf und wie schlimm es wirklich um ihn stand, verstanden die meisten allerdings erst nach dessen Tod. Wie so oft bei den Konzerten in letzter Zeit, gab es auch in Graz minutenlangen Applaus und Rufe für Tom. Die Musiker zeigten sich gerührt über so viel Zuspruch und bedankten sich nochmals bei den Fans.

Architects bewiesen an diesem Abend einmal mehr ihre Stärke, nicht nur als Musiker sondern auch menschlich. Und so verwandelte sich ein solides und gutes Konzert durch die Stimmung am Schluss noch in etwas Besonderes. Eines ist jedenfalls klar, die Fans werden Mastermind Tom Searle so schnell nicht vergessen oder wie es manche auch ausdrücken: "Tom Searle - Gone With The Wind, but never forgotten!"
 
Setliste:
Nihilist
Deathwish
These Colours Don‘t Run
Dead Man Talking
C.A.N.C.E.R.
Phantom Fear
The Devil Is Near
Devil‘s Island
Broken Cross
Downfall
Gravedigger
Gravity
Naysayer
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A Match Made in Heaven
Gone With The Wind

Stephanie Ambros