Bilderbuch haben geschafft, was sich nur wenige trauen würde: sie haben das Schloss Schönbrunn angemietet, um dort zwei riesige Open-Air-Konzerte zu veranstalten. War es das Wert? Einen (subjektiven) Konzert-Bericht über den Auftritt am 25. Mai, dem 2. der Schönbrunn-Konzerte, lest ihr bei uns.
Eines gleich vorweg: Seit 2009 Nelken und Schillinge, das erste Album von Bilderbuch, erschienen ist, bezeichne ich mich durchaus als Fan. Unzählige Konzerte habe ich seither von ihnen gesehen – egal ob Auftritte in der Volksgarten-Banane, bei dem das Publikum aus einer handvoll Erwachsenen und einer zufällig anwesenden Kindergarten-Gruppe bestanden ist, ob bei der Eröffnung des fm4-Geburtstagsfests vor einigen Jahren, als sie bei Eiseskälte draußen im Regen vor vielleicht 100 Leuten gespielt haben, als Vorband von den Editors, im fast leeren Flex, oder bei grandiosen Auftritten in der ausverkauften Open Air Arena vor 2 Jahren, als die Band gerade auf dem Höhepunkt ihrer Bekanntheit war: Konzerte von Bilderbuch haben für mich immer einen besonderen Stellenwert und sind ein Garant für sehr gute Konzertabende. Der Auftritt vor dem Schloss Schönbrunn sollte in Highlight werden, stellt in meiner persönlichen, langjährigen Liebesbeziehung mit Bilderbuch aber leider einen Tiefpunkt dar. Daran ist nicht nur die Band alleine beteiligt, sondern auch Publikum und Location. Aber der Reihe nach.
Der zähe Beginn eines langen Konzertabends
Schon der Anfang war nicht unbedingt so, wie man an ihn sich bei einem hoffentlich legendären und unvergesslichen Konzert vor dem Schloss Schönbrunn vorstellt: man eröffnete mit Mr. Supercool vom neuesten Album Vernissage My Heart: einem Song, der den meisten Anwesenden offensichtlich unbekannt war – ähnlich ging es fast eine Stunde lang weiter. Das Publikum war in der ersten Stunde mehr damit beschäftigt, auf seine Handys zu schauen oder damit, sich lautstark zu unterhalten, als auf das Konzert zu achten, das so zum Hintergrund-Geräusch degradiert wurde. Dass das Mitsingen bei Frisbee, bei dem Sänger Maurice Ernst das Mikrofon in Richtung Publikum streckte, sehr mau ausgefallen ist, war dann auch kein Wunder mehr. Ein Funke Stimmung kam immerhin auf, als die ersten Takte von Bungalow ertönten. Danach ging es aber wieder eher einschläfernd weiter, denn auf der Setlist befand sich überwiegend eine Mischung aus Songs aus den letzten beiden Veröffentlichungen Mea Culpa und Vernissage My Heart – zwei Alben, die gefühlte 90 % der Publikums noch nie gehört haben. Dann endlich: Baba beginnt und das Publikum singt laut „Monikaaa“ – so geht Stimmung! Und so wurde der „Hitblock“ eingeläutet: Maurice streifte sich seine markanten gelben Handschuhe über und der geübte Bilderbuch-Fan weiß, was jetzt kommt: es ist Zeit für Maschin, das erwartungsgemäß den natürlichen Höhepunkt des Konzerts darstellte. Es folgten mit Spliff und Plansch weitere bekannte Nummern, bei denen die Stimmung weiterhin Konzert-würdig war. Nach Checkpoint und LED Go verabschiedete sich die Band von der Bühne, es folgten sehr zögerliche Rufe nach einer Zugabe. Erst als jemand mit „Ibiza! Ibiza!“-Rufen begann, stimmten immer mehr mit ein – das ist zwar lustig, aber eigentlich auch traurig, sollte es doch um die Band gehen, die man unbedingt nochmal auf die Bühne holen möchte.
Die Zugabe
Mit Mr. Refrigerator beginnt der Zugaben-Block so, wie der Hauptteil des Konzertes aufgehört hat: zäh. Die Frau neben mir nutzt die Gelegenheit und schaut und hört sich ihre selbstgedrehten Konzert-Videos an – wohlgemerkt während die Band wenige Meter von ihr entfernt weiterspielt. Bei Schick Schock machte das Publikum dem Songtitel dann alle Ehre, denn es ist ein bisschen schockierend, wenn man selbst diese markanten Text-Zeilen nicht mitsingen kann („Sag es laut, Du bist hinter meinem Hintern her. Sag es laut, jaul es raus, gib es zu, Du bist hinter meinem Hintern her“). Beim bisher letzten Bilderbuch-Konzert in Wien, 2017 in der Open-Air Arena, saß der Text bei den Zuschauern noch perfekt, die Stimmung war am überkochen. In Schönbrunn hingegen war selbst Maurice sichtbar irritiert, als nahezu nichts aus dem Publikumsbereich zurückgekommen ist.
Wie ein Festival-Konzert, bei dem einfach keine richtige Konzert-Stimmung aufkommen will
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass ein mittelmäßiges Konzert ein mittelmäßiges Konzert bleibt. Egal, wie großartig und außergewöhnlich eine Location wie das Schloss Schönbrunn auch ist. Bilderbuch hätten ein Hit-Feuerwerk starten können, gespickt mit neuen Songs, die den Zuschauern etwas Zeit zum Verschnaufen geben. Stattdessen hat man genau den umgekehrten Weg gewagt und die Setlist so zusammengestellt, dass sich höchstens die wenigen hartgesottenen Fans in den ersten Reihen das gesamte Konzert über freuen konnten. Wenn das Publikum aber aus ca. 15.000 Menschen besteht, dann kann man nicht davon ausgehen, dass jeder das Werk der Band in- und auswendig kennt.
Ein legendäres Konzert, an das man sich auch Jahre später noch gerne und voller Freude zurückerinnert, bei dem sofort wieder das unvergleichliche Hochgefühl aufkommt – das entsteht so jedenfalls nicht. Stattdessen war es eher wie auf einem Festival, bei dem man sich nachmittags eine Band anschaut, die man eigentlich eh ganz gut findet, die ein paar Hits hat und der man nebenbei zuhört, während man sich gemütlich mit Freunden unterhält und das eine oder andere Bier genießt. Große Konzert-Stimmung kommt so aber nicht auf.
Bilderbuch sind eine großartige Band, der eine hoffentlich noch größere Zukunft bevorsteht. Dann aber bitte mit einer ausgewogeneren Setlist, die einem Groß-Konzert würdig ist, und in einer Location, die ebenfalls konzertwürdig ist. Denn auch wenn Schönbrunn eindrucksvoll ist und es toll klingt, wenn man als Band von sich sagen kann, dass man mal ein Konzert vor dem Schloss Schönbrunn gespielt hat: es hat sich gezeigt, dass es genügend Gründe gibt, warum hier nicht regelmäßig (Pop-/Rock-) Konzerte stattfinden.