Radau im Altersheim

Eierlikörtage - Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre ist eine Geschichte über ein paar Pensionisten, die im Alter noch einmal die Würze in ihrem Leben suchen. Eine herrliche Beobachtung mit einem zentralen Charakter, den man sich fast als Großvater wünschen möchte.

Das Leben im Seniorenheim kann schon öde sein und werden. Der Speiseplan trägt noch sein Übriges dazu bei. Doch der 83 1/4-jährige Hendrik Groen will der Langeweile einen Strich durch die Rechnung machen. Zuallererst beginnt er damit ein Tagebuch zu schreiben um sich die Zeit zu vertreiben, sein Gedächtnis zu stärken und seine Gedanken zum aktuellen Geschehen in der Welt niederzuschreiben. Ebenso berichtet er über das Personal und vor allem die Bewohner einer  Seniorenresidenz in Amsterdam, von denen viele in einer Art Alltagstrott leben. Ständige Meckerei, Sticheleien und andere Macken machen sich so enorm bemerkbar. Demenz, andere Krankheiten und der Tod geben sich die Klinke in die Hand. Das ist zwar nicht ungewöhnlich, kann aber schon ziemlich hinunterziehen. Wenn ab und zu  Kinder und Enkel vorbeikommen ist das für viele schon das höchste der Gefühle. Hendrik hat keine Kinder und somit keine Enkel und bekommt auch sonst selten Besuch, was ihn - verständlich -  schon manchmal ein wenig rührselig werden lässt. Einzig mit seinem Freund Evert ist er anfangs unterwegs. Die Aktivitäten und Ausflüge, die angeboten werden, sind die meiste Zeit eher fad. Die beiden Herren beginnen mit kleinen Streichen. Als eines Tages Eefje ins Heim kommt, die der Protagonist von Anfang an sympathisch findet, nimmt das Vorhaben auf eigene Faust Ausflüge zu veranstalten, Gestalt an. Der Alt aber nicht tot Club -kurz Alanito- ist geboren.

Mit im Gepäck sind Evert, Eefje, Graeme, Grietje, Edward und kurze Zeit später das Ehepaar Ria und Antoine. Der Plan ist im Jahr abwechselnd ein paar Ausflüge zu organisieren. Das ist ganz so einfach und es läuft nicht alles glatt, aber die Beschäftigung bereitet ihnen Freude. Die Belohnung für ihre Arbeit ist dann meistens eine gelungene Unternehmung. Sogar vor dem Internet schrecken die rüstigen Rentner nicht zurück und körperlichen Handicaps wird so gut es geht, die Stirn geboten. Ab und an muss wegen Krankheit oder  einer Operation verschoben werden, doch auch da hilft die Clique eisern zusammen und bekämpft schnellstmöglich die Wehwehchen. Das geht auch an so manch anderem Pensionisten nicht vorbei, was sich den Öfteren in Neid widerspiegelt. Denn die eingeschworene Gruppe hat beschlossen, keine anderen Mitglieder aufzunehmen. Allerdings bleibt der Alanito Club nicht ganz verschont von Ruckschlägen und bekommt ebenso  Steine in den Weg gelegt. Für den Rest der Gruppe sind diese traurigen Ereignisse nicht gerade aufbauend. Hendrik hat es mit seiner aufkommenden Inkontinenz und Anschaffung eines Elektromobils als Gehhilfe in Sachen Verfall noch ganz gut erwischt. Doch bis es im Lauf der Geschichte dazukommt, wird erst einmal ordentlich ihre frisch gewonnene Lebensfreude ordentlich gefeiert. Das dabei nicht immer die Hausordnung aufgrund immer neuer Verbote und Regeln eingehalten wird, versteht sich von selbst. Im Zuge dessen bemerken sie auch, dass die Heimleitung  und die Bürokratie rund herum nicht so tadellos ist, wie alle behaupten. Deshalb beschließen die Senioren sich nicht mehr so wie früher sich alles gefallen zu lassen und hinzunehmen. Und so setzen Hendrik und seine Freunde zusammen mit Sekretärin Anja auch noch zu einer kleinen Revolution an...

Fazit

Dass Hendrik Groen eigentlich das Pseudonym eines Amsterdamer Bibliothekars um die 60 Jahre ist, merkt man "Eierlikörtage - Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre" nicht an.
Manchmal ist die Geschichte nämlich schon fast zu real, gerade wenn man Großeltern oder Verwandte in diesem Alter hat. Speziell die Beschreibungen des Heimalltages und den täglichen Problemen sind sehr treffend. Ebenso zeigt das Buch die Sparmaßnamen bei der Pflege und Unterbringung von Senioren auf. An einigen Stellen plätschert die Handlung zwar nett unscheinbar dahin, dafür bügeln andere überspitzt dargestellte Passagen das wieder aus.
Selbst für den Sprung zwischen der Denkweise älterer Personen und der Verwendung moderner Dinge und aktueller Informationen wurde eine humorvolle Lösung gefunden. Man nimmt dem Protagonisten sogar die Story mit dem iPod ab. Durch die Ich-Perspektive wird der Leser schnell in das Leben in der Seniorenresidenz gezogen. Alles in allem ein kurzweiliges Buch über Freundschaft und das Leben im Alter, das von lustig bis traurig alles abdeckt.

Eierlikörtage - Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre
von Hendrik Groen
erschienen bei Piper
gebundene Ausgabe, 416 Seiten, 22,70€
ISBN: 978-3-492-05808-7

 

Stephanie Ambros