Ghost Stories

Nach dem Erfolg des gleichnamigen Theaterstücks haben Jeremy Dyson und Andy Nyman ihren Schocker jetzt auf die Kinoleinwand gebracht. Doch ob ihr Spielfilmdebüt dem Genre gerecht wird, bleibt dahingestellt.

Die Frage nach der Existenz des Übernatürlichen begleitet die Menschheit seit jeher und wird wohl nie eindeutig beantwortet werden können. Die damit verbundene Faszination für das Unbekannte, das Ungewisse, das Unheimliche findet nicht zuletzt im Horrorgenre ihren Ausdruck. Ghost Stories zeigt bereits im Vorspann mit dem ersten Schockmoment, mit welcher Art von Film man es zu tun hat. Die Erzählung um Professor Phillip Goodman (Andy Nyman) versucht allerdings sich in ihrem Verlauf durch Genre-Untreue eine Distanz und somit einen eigenen Stil zu schaffen.

Goodman fühlt sich dazu berufen, vermeintlich paranormale Phänomene zu untersuchen, um diese als rational erklärbar zu enttarnen. Die Aufnahme von drei unabgeschlossenen Fällen führt aber dazu, dass er seine eigene Einstellung zu hinterfragen beginnt. Während der Interviews mit seinen Klienten taucht man jeweils in diese episodenhaft erzählten Gruselgeschichten ein, um hautnah dabei zu sein. Während der Film stets seinen britischen Sinn für Humor zur Schau stellt, zeichnet sich seine Affinität zum Horror leider lediglich durch Jump-Scares aus. Obwohl mit Hommagen an Alfred Hitchcocks Psycho und Sam Raimis Evil Dead die Liebe zum Genre verdeutlicht wird, schafft es Ghost Stories nicht sich selbst darin zu beweisen. Man könnte meinen, es handle sich um einen Film über Horrorfilme, nicht jedoch um einen Vertreter des Genres selbst. Beispiele wie It Follows und Berberian Sound Studio veranschaulichen ästhetisch und inhaltlich, dass sich eine Abkehr vom Kanon als fruchtbar erweisen kann. Ghost Stories setzt mit der Einbettung dokumentarischer Elemente und surrealistischer Effekte, sowie einer allgemein anspruchsvollen Optik, einerseits interessante Akzente, verzichtet andererseits auf eine Erforschung und Erweiterung des Möglichen. Vielmehr werden peripher Genres angeschnitten, ohne dabei selbst an Tiefe oder Authentizität zu gewinnen.

Was bedeutet es, zu glauben und was führt überhaupt erst dazu? Ob Geister, Dämonen, Hellseherei oder auch Gott – Ghost Stories stellt Glauben und Skepsis gegenüber um Goodman auf eine Reise ins eigene Innenleben zu schicken. Zu einer tiefgreifenden Verhandlung des Konfliktes kommt es dabei leider nicht. Auch die Thematisierung von Rassismus, Sexismus und Homophobie ist in den Dialogen zwar eingeschrieben, führt aber in keine tiefere Bedeutungsebene. Die fast ausschließlich männliche Besetzung könnte umgekehrt darauf hinweisen, dass eher unreflektiert gearbeitet wurde. Zwar könnte diese Entscheidung als kritischer Kommentar aufgefasst werden, jedoch käme dies in Anbetracht des Filmes in seiner Gesamtheit nicht wirklich zum Ausdruck.

Ohne zu viel verraten zu wollen, sollte gesagt sein, dass die große Ernüchterung mit dem Ende des Films einsetzt. Die stilistisch interessant gestaltete Erzählung führt auf der einen Seite mit den darin verwobenen Andeutungen zur Pointe, doch wird konträr dazu mehr oder weniger über Bord geworfen. Alles in Allem steht hinter Ghost Stories der leider nicht ganz geglückte, aber dennoch mutige Versuch, das Horror-Genre innovativ zu behandeln. Die geschmackvoll und interessant gestaltete Ästhetik, die Qualität des Casts (u.a. Andy Nyman, Martin Freeman, Paul Whitehouse und Alex Lawther) sowie auch die Tatsache, dass Filme wie diese als Exoten eher selten zustande kommen, legen es nahe, sich ein eigenes Bild von Ghost Stories zu machen.

Ghost Stories
Regie: Jeremy Dyson, Andy Nyman
Filmstart: 20.04.2018
Im Verleih von Constantin Film

Peter Freydl