Kreisky: Von Teenager-Nummern auf der Entertainment-Platte

Am 21. März gibt es Zweierlei, auf das man sich freuen kann: den Frühlingsbeginn und die Veröffentlichung des vierten Kreisky-Albums. Ob die fröhlichen Frühlingsgefühle durch das Hören der neuen Platte in grantiges Aufstoßen gegenüber der österreichischen Seele mündet, verraten Franz Wenzl und Gregor Tischberger ansatzweise im Interview.

fm5.at: Bei solchen Promo-Tagen hört man ja nicht selten ein und die gleiche Frage schon mal öfters. Gibt es mittlerweile eine Frage, mit der ihr nicht besonders gerne konfrontiert werdet?

Franz: Die erste, die mir einfallen würde, ist die nach dem Bandnamen. Ein Klassiker! Ich muss aber dazu sagen, dass die mich eigentlich gar nicht so nervt und die auch schon lange nicht mehr gekommen ist. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt mehr auf dem Grant. Aber das gehört auch zu unserem Eigennstellungsmerkmal, das kommt ja nicht von irgendwoher. In den Nuller-Jahren, in die wir musikalisch hineingeboren wurden, war das auch ein wichtiges Statement.

Du hast es soeben angesprochen -  nach eurem zweiten Album hattet ihr den Ruf einer schlecht gelaunten Band. Auf dem dritten Album kam wiederum ein wenig Mitgefühl für die Umwelt zum Tragen. Was hat sich mit eurer Haltung beim vierten Album geändert?

Franz: Von der Haltung her hat sich nicht wahnsinnig viel geändert. Eher der Wunsch nach einer künstlerisch breiteren Palette.

Gregor: Der Auftrag an uns selbst bei dieser Platte lag mehr dabei, breiter zu arbeiten und uns ein wenig mehr Zeit zu lassen.

Franz: Als Arbeitstitel hatten wir bei der neuen Platte „Pop-Platte“. Ich bin dann aber drauf gekommen, dass „Pop-Platte“ nicht unbedingt das Treffendste ist, sonder „Musical-Platte“ oder „Entertainment-Platte“. Aus unserem Kontext heraus gedeutet, weil es tatsächlich Elemente gibt, wo sich Musik und Text gegenseitig sehr unterstützen. Wir hatten es noch nie so sehr wie jetzt, dass Musik alleine schon fast eine Geschichte erzählt. Daher denke ich, dass dies unsere musikalischste und entertainerischste Platte ist.

Gregor: Für mich ist es unsere 70-Jahre-Platte – vom Sound her.

Franz: Das ist völlig okay! (lacht) Es ist vom Klang her viel freundlicher, nicht so laut gemastered wie die Letzte und grundsätzlich ein sehr analoger Sound. Und vom Klangbild her – es gibt eigentlich kaum ein Instrument drauf, das man nicht auch in den 70er Jahren gehört hat.
Es gibt ja auch dazu das Stichwort „Zeitflash“. Die gefühlte Stagnation in der Popmusik ist daran messbar, dass man jede Musik, die 2013 produziert wurde, man jedem Menschen 1998 vorspielen könnte und er würde nicht schreiend aus dem Haus rennen...

Gregor: ... weil er die Zukunft gehört hat. (lacht)

Franz: Genau! Und das war nicht immer so. Wenn du jemanden aus 1978 Techno vorgespielt hättest, der wäre wahrscheinlich sehr wohl schreiend aus dem Haus gerannt!

Der Song „Menschen brauchen Liebe“ stand für eine Art Grundaussage auf „Trouble“. Gibt es auf „Blick auf die Alpen“ einen ähnlichen Song, der dieser Aussage gerecht kommt?

Franz: Es war nicht eher die Grundaussage, sondern mehr ein Konterpunkt würde ich sagen. Quasi dasselbe Thema von einer ganz anderen Seite beleuchtet. Eine Backstage-Nummer oder der hübsche Bruder von den schirchen Kreiskys. So etwas in der Art. Aber auf der neuen Platte gibt es so etwas wie in dieser Funktion nicht.

Gregor: „Menschen brauchen Liebe“ war musikalisch eher der Bruch auf der Platte.

Franz: Damit haben wir auch unser eigenes Image, das wir aufgebaut haben, de-sabotiert. Und bei dieser Platte ist es breiter gesät. Mit catchy-diffusen Nummern wie „Pipelines“, was man nicht sofort mit Kreisky assoziieren würde.
Dann zum Beispiel die beiden Teenager-Nummern „Wir machen uns Sorgen um dich“ und „Weinkrämpfe“. Uns war immer sehr wichtig aus unserer Perspektive zu schreiben, unserem Alter gerecht und für Gleichaltrige. Und dieses Mal haben wir bewusst Musik für Teenager gemacht, aber wie wir uns das vorstellen. Nicht quasi für den heutigen Teenager, sondern wir haben Musik aus einer Teenager-Song-Tradition aufgegriffen und daraus wiederum ein Lied gemacht, das zu uns passt. Die beiden Nummern sind daher auch sehr anders. Die Menschen sollen sich grundsätzlich identifizieren mit unserer Musik und unsere Identifikation basiert meistens auf negativen Gefühlen. Das ist auch bei den zwei Liedern so, nur mit dem Unterschied, dass es sich dabei um so vergangene Gefühle handelt, die aber tatsächlich jeder kennt.

Ich merke, ihr seid wieder um ein Stück experimenteller herangegangen...

Franz: Das tun wir aber eh immer. Das ist vielleicht auch der Grund wieso wir immer so lange für eine Platte brauchen, weil wir tatsächlich jeden Ton ausprobieren. Das heißt, dass jeder Ton und Text von uns experimentell erarbeitet wird, von uns erfunden! (lacht)

Gregor: Es geht dem Ganzen immer ein langer Nachdenk- und Diskussionsprozess voraus. Wenn wir mit der aktuellen Platte touren, werden dann meistens schon wirre Ideen zur Nächsten in den Raum geworfen und dann reden wir darüber...

Franz: ...und ich schlafe dann meistens.

Gregor: Und dieses Mal haben wir den Ollmann {anm. d.Red.: Oliver „Ollmann Brunbauer}, der mit uns aufgenommen und produziert hat, früh eingebunden und haben mit ihm darüber diskutiert, wie wir das soundmäßig angehen. Wir hatten nämlich ein paar Erweckungserlebnisse beim Liederschreiben, wie in Judenburg, als wir uns den Proberaum einer alten Schule gecheckt haben. Das war ein riesiger, halliger Raum und nachdem alles so schön räumlich geklungen hat, war schnell klar, dass dies ein Element der Platte sein wird.

Auf der Nummer „Wir Unterhaltenden“ wettert ihr gegen sogenannte „Medienpunks“, die ständig auf der Suche nach gutem Material sind und fordert die Todesstrafe für die „unwürdig Unterhaltende“. Was bedeutet für euch noch würdige Unterhaltung?

Gregor: Es gibt Tendenzen in Medien, das Publikum für dümmer zu halten als es ist und ihm nicht zuzutrauen.

Aber was bedeutet es dann, würdig zu unterhalten?

Gregor: Es ist würdig, wenn man dem Publikum etwas zutraut. Es als mündig anzusehen und ihm auch radikalere Dinge vorsetzt. Aber nur Stumpfsinn und Nummer-Sicher-Geschichten zu produzieren, vielleicht auch noch richtig schlecht umgesetzt, weil keiner mehr ein Geld hat – dann wird es wirklich unwürdig. So geht es auch im Werbeblock weiter. Da kommt so ein Scheiß daher, wo man sich denkt: „Der Idiot, der das gemacht hat, der hat die Todesstrafe durchaus verdient“. (beide lachen)

Trash-TV Formate wie „Das Dschungel Camp“ bedienen jedoch längst nicht mehr bildungsferne Gesellschaftsschichten...

Gregor: ... und das ist das Ärgste! Wenn auf einmal die Hipster und coolen Menschen es schick finden, „Das Dschungel Camp“ zu sehen. Und anschließend auf einer post-ironischen Weise darüber reden.

Franz: Ich muss dazu sagen, dass ich solche Formate gar nicht schaue. Ich komme einfach nicht dazu.

Gregor: Ich tue es bewusst nicht. Weil es scheiße ist.

Franz: Irgendwie interessiert es mich schon. Es kommt immer darauf an, wie mit den Leuten und ihren Träumen umgegangen wird. Und was ich überhaupt nicht aushalte, ist dieses Erzeugen von permanenten Höhenpunkten, wo keine sind! Darum würde ich nie in meinem Leben Moderator werden. Das ist so ein schwindliger Beruf.

Gregor: „Wetten, dass...?“ würdest du machen, wenn sie dich fragen?

Franz: Das ist ein sinkendes Boot. Das ist wirklich schwierig.

Gregor: Vielleicht noch mit dem Gottschalk.

Franz: Wer weiß...

Es gibt eine These, die besagt, dass Zuseher mit höherer Bildung solche Trash-TV Formate konsumieren, um sich distanziert zu amüsieren. Quasi Sadismus in einer sozial akzeptierten Form auszuleben. Könntet ihr dem etwas abgewinnen?

Franz: Ich glaube es gibt mehr Motive, aber das ist bestimmt auch drinnen. So wie wenn man „Herz von Österreich“ ansieht und sich dabei lustig über manche macht. Obwohl ich dazu sagen muss, dass ich diese Sendung noch nie gesehen habe.

Gregor: Ich auch nicht!

Gut, dann sind wir schon drei. An dieser Stelle danke ich euch für das Interview!

Linda Schürer-Waldheim

Verhaltensunauffälliges Einzelkind, Belegerin diverser Massenstudien mit großem Faible für Alltagseskapismus mittels Ton und Schrift.