Von der Diktatur bei Mando Diao

Kurz vor Veröffentlichung des siebenten Studioalbums von Mando Diao (Aelita erschien am 2. Mai) treffen wir Björn Dixgard, neben Gustav Norén der kreative Mastermind hinter der schwedischen Band, zum Interview im 25hrs Hotel in Wien. Er erzählt uns von Jugenderinnerungen, den kommenden Live-Shows und der diktatorischen Hierarchie innerhalb der Band.

 

FM5: Euer neues Album Aelita klingt sehr nach den 80ern, also der Musik, zu der ihr groß geworden seid. Ist der Sound eures Albums mehr ein Ergebnis aus diesen Einflüssen oder aus dem Experimentieren mit dem Aelita-Synthesizer, den ihr 2011 geschenkt bekommen habt?

Björn Dixgard: Gute Frage. Ich denke, alles ist dabei. Wie du schon festgestellt hast, sind viele Sounds auf dem Album aus unserer Kindheit. Und auch viele Sachen, mit denen wir als Kinder gespielt haben – wir liebten Sega Megadrive, Amiga, Nintendo, das ganze Zeug und auch die Musik darin. Und sogar die Mode. Zum Beispiel wie die Figuren in Street Fighter angezogen waren. Der Synthesizer hat das ganze Projekt in Rollen gebracht, aber er war nicht der springende Punkt. Er ist auf fast jedem Song dabei, aber er ist nicht die Basis des Albums. Das ist unsere Kindheit.

Bei euren früheren Alben habt ihr gemeint, eure Vorgehensweise bei jedem Album ist es, einfach ins Studio zu gehen und zu spielen, ohne zu viel darüber nachzudenken. War es bei diesem Album genau so oder hat sich das geändert?

Das hat sich geändert.  In unseren Anfangsjahren haben wir old-school live im Studio aufgenommen, wie Elvis Presley (grinst), und dann im Computer verarbeitet. Bis wir 2007 oder 2008 gemeinsam draufgekommen sind, dass unsere Aufnahmen wie Kopien unserer Demos klingen. Und da sagten wir uns: warum sollen wir nur unsere Demos imitieren, die viel persönlicher klingen. Darum haben wir auch bei MTV Unplugged gespielt. Es hat sich also insofern geändert, dass wir jetzt viel mehr darüber nachdenken. Aber wir spielen uns gern mit den Song herum, dass ist der rote Faden, der sich durch unsere Karriere zieht. Musik machen ist wie mit Lego oder Playmobile zu spielen. Es ist aber definitiv nicht mehr so, dass wir jetzt auf „Record“ drücken und dann kommt der Magic Moment. Also nicht so wie in den Rock-Dokumentationen, die man im Fernsehen sieht.

Auf Aelita arbeitet ihr mit dem tschechischen Musiker Jan Hammer, der primär für den Miami-Vice-Soundtrack bekannt ist. Ist diese Idee während den Arbeiten am Album aufgekommen oder schon davor?

Jan spielt eigentlich nur auf Black Saturday einen größeren Part, wo wir ihn auch brauchten. Der Song war eigentlich schon fast fertig, aber es war noch dieser lange Teil am Ende, wo nichts passierte. Eine Freundin von uns, die im Musik-Business in Stockholm arbeitet, hatte Kontakt mit Jan und fragte uns, ob wir nicht etwas mit ihm machen wollen. Sie hat uns schon einmal auf einer Party von ihm erzählt, aber wir konnten uns nicht erinnern. (lacht) Wir haben ihm dann den Song zukommen lassen und er hat uns eine Mail geschickt mit ein paar weiteren Tonspuren drauf. Als wir uns den Song die ersten zwei Mal angehört haben, dachten wir, das klingt furchtbar. Aber beim dritten Mal hat es uns auf einmal getroffen und wir haben die Schönheit der Aufnahme gesehen und haben beschlossen, dass wir alles davon verwenden wollen. Das war genau das, was Black Saturday noch gefehlt hat.

Viele Bands haben mittlerweile immer weniger Gitarren-Parts in ihren Songs. Woran liegt es deiner Meinung nach, dass die elektronischen Elemente immer mehr überhand nehmen?

Ich denke nicht, dass sie wirklich überhand nehmen. Es sind einfach neue Werkzeuge im Spiel. Zum Beispiel ein Laptop: Eine Aufnahme am Laptop zu bearbeiten ist eine großartige neue Sache. Für die meisten Leute sind Gitarren, Bass, Violinen oder Schlagzeug die „wahren“ Instrumente. Ich denke aber, dass auch ein Laptop oder ein Sample ein „wahres“ Instrument sein kann. Es sollte hier nichts auf der Welt geben, dass nicht in Frage kommt. Wenn du eine verrückte Werbung aus Hong Kong als Sample in deinem Song verwenden willst, kann das ein genauso gutes Instrument sein wie ein guter Gitarrenpart. Ich glaube also nicht, dass die elektronischen Elemente überhand nehmen, aber dass es einfach mehr Möglichkeiten gibt – was großartig ist.

Okay Björn, kannst du uns erklären, was es mit dem Album-Cover auf sich hat? Besteht nicht die Gefahr, dass dein zukünftiges Ich das Cover bereut?

Wir haben bemerkt, dass unsere Cover zum Beginn unserer Karriere recht langweilig waren, alles nur schwarz/weiß. Aber ich bereue nichts in meinem Leben, was mit Kreativität zu tun hat. Ich bereue, wenn ich jemanden verletzt habe. Aber eine kreative Idee bereuen wäre, wie wenn ich es bereuen würde, als Kind so viel mit Lego gespielt zu haben. Musik ist auf der einen Seite extrem ernst für uns, weil sie unser Leben ist. Aber es ist auch eine Spielerei, bei der man nichts bereuen kann.

Kannst du uns noch die Story hinter dem Album erläutern?

Das Cover entstand mit einem schwedischen Digital Artist. Er kam auf die Idee, mit verschiedenen Ebenen zu arbeiten und einfach immer noch eine Ebene auf dem Cover hinzuzufügen. Wir haben seine Sachen gesehen und gefragt, ob er nicht ein Cover für uns machen wolle. Und so kam es zu dem Art-Work. Wir arbeiten gerade mit einer Vitual-Reality-Firma zusammen, um hier ein noch surrealistischeres Feeling zu schaffen. Das Thema hat uns überhaupt schon lange fasziniert, du weißt schon, mit den Virtual-Reality-Brillen und so. Letze Woche haben wir einen Prototyp gesehen und es sieht wunderbar aus. Du hast die Chance, in diese psychedelische Welt einzutauchen. Und genau so haben wir uns auch gefühlt, als wird die Musik zu dem Album geschrieben haben. Wir sind quasi in der Technologie und in der Musik geschwommen, und die Leute sollen einen Eindruck davon bekommen. Die Technik ist für die breite Masse noch nicht wirklich leistbar, aber wir wollen damit zumindest Ausstellungen machen. Mindblowing. (lacht)

Wenn du sagst, ihr wollt einen Virutal Reality mit dem Album erschaffen, was können sich die Fans bei der kommenden Tour auf der Bühne erwarten?

Wir haben schon viel versucht, aber im Sommer ist es schwierig, weil es rundherum sehr hell sein wird. Wir werden das also noch auf Herbst verschieben müssen, wenn wir mehr Indoor-Shows spielen. Im Sommer werden wir vielleicht vier oder fünf Nummern von Aelita spielen und der Rest wird aus Nummern aus unserer gesamten Karriere sein. Auf Festivals können wir zum einen das Publikum vereinen und zum anderen auch selbst mit dem Publikum eins werden. Aber aus kreativer Sicht ist es besser, wenn du deine eigene Show spielst. Du kannst tun, was du willst, und die Dunkelheit in einer Location hilft dir noch dabei.

Eure Musik hat sich schon oft verändert. Wie schwer ist es, den Sound auf einen Nenner zu bringen, wenn so viele Leute mitreden? Kommt einer von euch und sagt „Lasst uns 80er-Musik machen“ und alle sind sofort damit einverstanden?

(lacht) Nein, nein, gar nicht, wir entscheiden davor nicht, was wir machen wollen. Es sind mittlerweile auch viel mehr Leute involviert, wir können nicht mehr sagen, es sind nur die fünf, sechs Band-Mitglieder, es sind viel mehr. Die ganzen Backround-Sängerinnen, Produzenten, Tontechniker und so weiter. Wir haben uns eine Zeit lang vorgemacht, dass wir eine Band mit konstant fünf Mitgliedern sind, aber eigentlich waren es immer Gustav und ich, wir sind Vater und Mutter der Band. Ich bin mir aber nicht sicher, wer der Vater und wer die Mutter ist. (lacht) Aber es waren immer unsere Ideen und für unsere Kreativität war es eine Erleichterung, dass wir die Band nicht mehr mit konstantem Line-Up betrachtet haben. Natürlich spielen auf diesem Album wieder alle mit, die auch auf den anderen Alben spielen, aber noch viele mehr. Und wir stellten uns die Frage, ob wir die anderen Beteiligten nicht auch als Band-Mitglieder akkreditieren sollten. Aber am Ende ist es Gustavs und mein Baby. Wenn die anderen auch Babys haben wollen, steht ihnen das natürlich jederzeit frei und das wissen sie auch. Aber in der Beziehung sind Gustav und ich Diktatoren. (lacht)

Viele Leute meinen, dass sie die Person, die sie jetzt sind, auch in Zukunft sein werden. Ich nehme an, dass das nicht eure Sicht der Dinge ist, oder?

Wir lieben es, uns weiter zu entwickeln und all unsere Facetten zu zeigen. Unsere ersten drei, vier Alben waren eigentlich alle ziemlich gleich, und ich höre sie mir auch nicht mehr wirklich an. Aber wir haben so viel mehr Ideen, so viel mehr Musik, die wir den Leuten bringen möchten, wir denken nicht in Genres. Wir wollen uns da auf nichts festlegen. Und wir haben auch immer Glück damit. Zum Beispiel Infruset, das Album, dass wir zu Gustaf Frödings 100. Todestag aufnahmen, entstand, weil eine Freundin von uns eine Ausstellung ihm zu Ehren machte und meinte, sie hätte gerne eine schwedische Band, die Melodien zu seinen Lyrics schreibt. Und alle sagten ihr ab, und sie fragte, ob wir das bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte machen können. (lacht) Für uns war das ok und wir schrieben einen Song. Es war so inspirierend, dass wir ein ganzes Album erschufen. Das gleiche war es bei Aelita. Wir fanden den Synthesizer und kauften ihn. Daheim schalteten wir ihn ein, aber nichts passierte. Während wir noch Kaffee tranken, machte er auf einmal von selbst Geräusche. Wie ein Tier hat er auf einmal seine eigenen Sounds kreiert.  Wir haben dann angefangen, eher aus biologischer als auch technischer Sicht darüber zu philosophieren. Und das hat uns die Kreativität für die Produktion gebracht. Wir hatten also viel Glück, wie du siehst. Ich denke, das passiert, weil wir Open-Minded sind, aber das ist nur eine Vermutung.

Was sollen die Leute in der Zukunft über Mando Diao sagen? Zum Beispiel in 70 Jahren?

Für uns ist Mando Diao Liebe und Passion, und ich hoffe, dass die Leute das auch später sagen und spüren werden. Für mich ist es die beste Beschreibung, wie ich meine Liebe zur Kreativität und zum Leben mit Musik ausdrücken kann.

Ihr wollt also nicht als die größte Rock-Band aller Zeiten wahrgenommen werden?

Nein, das ist gar nicht notwendig. Hoffentlich passiert das trotzdem. (lacht) Aber das ist nicht unser Ziel.

Danke für das Interview!

Mando Diao - Aelita
VÖ: 02.05.2014
Universal Music

 

Mathias Frank