Gleich zu Jahresbeginn wagen You Me At Six mit Night People einen Ausbruch aus ihrer musikalischen Schublade und legen das bisher vielschichtigste Album ihrer Karriere vor.
Erwachsen. Dieses Wort ist ein beliebtes Wort bei CD-Besprechungen und für den einen oder anderen schon fast eine Floskel. Doch genau diese Beschreibung trifft es bei You Me At Six auf den Punkt. Das Quintett aus Surrey (England) zog es bei ihrem fünften Album vor, den sicheren Weg zu verlassen. Es sollte nicht wieder einer der typischen Genre-Produzenten werden, um nicht im Vorhinein schon durch die Erwartungen in die gewohnte Ecke gedrängt zu werden.
Die Wahl fiel auf Jacquire King (James Bay, Kings Of Leon) mit dem sich die Band schon eine lange Zeit eine Zusammenarbeit wünschte. Nachdem der Plan besiegelt war, ging es für Josh Franceschi (Gesang), Dan Flint (Drums), Chris Miller (Gitarre), Matt Barnes (Bass) und Max Helyer (Gitarre) nach Nashville in die Black Bird Studios. Davor nahmen sich die Musiker nach Beendung des Albumzyklus von Cavalier Youth (erschienen 2014) reichlich Zeit für eine Pause und werkten danach an eben diesen neuen Songs. Das war anfangs eine kleine Herausforderung für die Gruppe, wie sie in mehreren Interviews erzählte. Wichtig war ihnen, dass die Veröffentlichung für sie eine Aussage und damit eine Bedeutung hat. Ein Teil des Songwriting- und Pre-Production- Prozesses fand im Studio in Flints Haus statt.
10 neue Lieder, gemischt von Andrew Scheps (Black Sabbath, Red Hot Chili Peppers), schafften es auf die neueste Veröffentlichung, die den Namen Night People trägt. Und es scheint der Plan der Briten, -die sich 2008 mit ihrem Debütalbum Take Off Your Colours vor allem in der Poppunk-Szene einen Namen machten - geht auf. Immerhin gab es in Großbritannien gleich mal Platz 1 in den Albumcharts.
Der vorhersehbare, mal zuckersüße, dann wieder freche Pop-Rock/Pop-Punk-Klang ist so ziemlich verschwunden, nicht aber die eingängigen Melodien und Choruses. Bedingt durch die verschiedenen Einflüsse von Jacquire King und die Erweiterung und Veränderung des Musikgeschmacks der Bandmitglieder ist ein attraktiver Mix entstanden. Rotzige Gitarren, ein singender Bass, der perfekt mit dem präzise eingesetzten Schlagzeug harmoniert, untermalen Franceschis sehr prägnante Stimme. Schon die erste und gleichnamige Singleauskopplung "Night People" zeigt genau das auf und man sieht deutlich die Verfeinerung des musikalischen Könnens von YMAS im Lauf der Jahre. "Brand New" kommt fast schon wie eine Hymne daher, bei "Can't Hold Back" dürfen die Gitarren ordentlich quietschen und bei "Swear" rückt Barnes Basslinie immer wieder ordentlich in den Vordergrund.
Von Pop-Rock bis hin zu Alternative Rock - manchmal sogar mit ein paar Indie-Rock-Einschlägen, decken die (mittlerweile) Mittzwanziger demzufolge sämtliche Spaten ab. Das punkig angehauchte "Plus One" ähnelt noch am ehesten älterem Material. Mit "Take On The World ist auch eine Ballade auf der CD vertreten, die allerdings schwer an der Grenze zum Kitsch vorbeischrammt und ein wenig zu glattpoliert geriet. Wer "Fireworks" auf Hold Me Down schon grenzwertig erachtete, wird hier auch nicht zu euphorisch reagieren. Positiv anders präsentiert sich der Track "Spell It Out", der nur mit Gesang und Gitarre beginnt, sich langsam zu einem kräftigen Ausbruch gipfelt und aufhört wie er begann. Die düstere Stimmung packt einen nach den ersten Tönen und die fast kathartische Explosion, deren Ansatz ein wenig an Acts wie Black Sabbath erinnert, muss sich nicht verstecken und würde garantiert auch bei einer Liveshow für Begeisterung sorgen. Damit ihre Fans und Musikfans im Allgemeinen die Konzertkarten um normale Preise bekommen, ging die Band - allen voran Frontmann Josh Franceschi- mit ihrem Anliegen bis ins britische Parlament. Mit einer aufgesetzten Petition kämpfen sie gegen Nebenanbieter, die Tickets aufkaufen und teuer weiterverkaufen. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass das couragierte Eintreten und die Mühe sich irgendwann in naher Zukunft lohnen. Bis es Anfang März auf Tour geht schürt das fünfte Album zweifellos die Vorfreude. Einen schönen Abschluss der CD bringt dann noch "Give" dem Hörer, das mit einer ordentlichen Portion Groove versehen ist.
Fazit
Die Songs auf Night People sind durch die Bank alle radiotauglich und man merkt die -verständlichen- Ambitionen von You Me At Six sich über die Grenzen ihres Genres hinaus zu profilieren, mit dem netten Nebeneffekt einen größeren Markt abzudecken. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass die Stücke absichtlich auf Radio-Rotation getrimmt wurden, vielmehr bekommt der Hörer die natürliche Weiterentwicklung zu spüren. Die Zusammenarbeit mit Jacquire King schadete den Musikern keinesfalls, sondern hebt ihre Vielfältigkeit hervor, die sie bislang so noch nicht ausgespielt haben. Die Ehrlichkeit und das Herzblut der jungen Herren bleibt nicht unbemerkt.
Einzig mit der Ballade schossen sie ein wenig über das Ziel hinaus und das Stück bereitet bei mehrmaligen Anhören einen gewissen Nervfaktor.
Bei "Always Attract", -das mit jugendlicher Ansicht und der traurig-schönen Melodie gepaart ist-, von Take Off Your Colours, fanden sie wesentlich besser die goldene Mitte. Ungeachtet dessen und des noch frischen Jahres darf mit gutem Gewissen behauptet werden, dass YMAS anderen Acts einiges für 2017 vorgelegt hat.
Trackliste
01. Night People
02. Plus One
03. Heavy Soul
04. Take On The World
05. Brand New
06. Swear
07. Make Your Move
08. Can't Hold Back
09. Spell It Out
10. Give
Live
17. März 2017 - 20:00 Uhr - Arena Wien
You Me At Six - Night People
Infectious Music / [PIAS] Cooperative
VÖ: 06.01.2017