Musik und Yoga unter'm Wiener Regenbogen

Am 17.06.2017 bereicherte unser Vertreter Nathan Trent beim diesjährigen Eurovision Song Contest das bunte Programm der Vienna Pride. Wir haben ihn nach seinem Auftritt vor der Bühne abgefangen, mit ihm über den Song Contest gesprochen und erfahren, was nun als nächstes für ihn ansteht.

FM5: Bei deinem Auftritt vorhin hast du deine beiden bisherigen Hits ("Running on Air", "Like it is") und Coverversionen anderer ESC-Songs gespielt. Etwas Neues war noch nicht dabei. Dürfen wir uns in der nächsten Zeit mal auf ein Album freuen?
Nathan: "Running on Air" wird nicht auf ein Album kommen, aber ich werde eine italienische und eine spanische Version des Liedes rausbringen. Die italienische Version wird ähnlich der deutschen sein und die spanische wird ein wenig mehr auf Sommer ausgerichtet sein, ein bisschen mehr Enrique Iglesias. Im Studio bin ich sowieso die ganze Zeit und schreibe. Ich will schauen, wenn ich etwas herausbringe, dass es gut ist und werde mir dafür lieber etwas mehr Zeit lassen. Ich schreibe aber schon ewig und habe auch schon einige Sachen parat.

Du wirst öfter gefragt, ob es für dich bestimmte Riten vor Auftritten gibt und hast dabei Yoga erwähnt. Wie kann man sich das vorstellen? Sitzt du Backstage in einem weißen Raum und meditierst?
(lacht) Nein, überhaupt nicht. Es geht eigentlich hauptsächlich darum, auf den Atem zu schauen, das ist das Wichtigste. Ein bisschen runter zu kommen und sich zu fokussieren.

War das in so einem verrückten Umfeld wie dem Song Contest überhaupt möglich?
Naja, dort habe ich es eigentlich immer im Hotel vorher gemacht. So war ich schon für den Tag geerdet.

Reden wir noch ein bisschen über den Song Contest. Die meisten Menschen kennen den ESC nur von den Fernsehübertragungen. Wie war die Woche vor dem Finale? Wie laufen die Dinge dort ab?
Im Fernsehen sieht man die ganze Presse- und Promotionsarbeit eigentlich kaum. Man sieht zwar Interviews mit den Teilnehmern, aber nicht, wie viel wir mit den Reportern sprechen. Das Ganze hat totalen Spaß gemacht, andererseits denkt man sich nach einer gewissen Zeit schon: jetzt muss ich bald aufhören, sonst habe ich morgen keine Stimme mehr.
Wir dachten schon, du musst aufhören, um nicht aus Versehen noch was Falsches zu sagen.
(lacht) Nein, mit der Zeit bekommt man eine gewisse Übung.
Im Prinzip sind die Fragen ohnehin immer ähnlich. Natürlich gibt es Abweichungen und immer wieder Journalisten mit coolen, intelligenten Fragen, die man bisher noch nicht gehört hat. Jedoch kommen erwartungsgemäß immer Fragen wie: Bist du nervös? Wie lange kannst du deinen Song noch singen? Aber alle beim ESC waren extrem positiv und extrem nett, sodass sich das gar nicht wie Arbeit angefühlt hat.
Also bekommt man keine genauen Anweisungen, was man sagen darf, und was nicht?
Man wird schon kurz gebrieft und auf mögliche Situationen vorbereitet, auch darauf, welche Sachen man sagen kann und welche man lieber nicht erwähnt.
Es geht darum, wie man sich darstellen und in der Öffentlichkeit platzieren will.
Was man aber von mir in den Interviews und bei den Auftritten gesehen hat, das war wirklich ich. Ich durfte einfach das machen, was ich wollte.
Ich habe bei Allem gesagt, wie ich das gern hätte und es wurde dann auch wirklich so umgesetzt.
Also gibt es auch von den Ländern selbst keine Vorschriften, was man machen soll bzw. nicht machen darf?
In meinem Fall überhaupt nicht. Der Mond bei meinem Auftritt war zum Beispiel meine Idee. Ich habe das den Verantwortlichen vorgeschlagen und es kam nur ein: Passt, dann machen wir das so. Da dachte ich schon kurz: Wow.

Und wie hast du das mit dem Mond dann umgesetzt? Bist du zur Bühnengestaltung und hast gesagt: Einen Mond bitte?
Der Mond wurde in der Ukraine gemacht. Ich hatte ihn bei Proben in Österreich noch gar nicht zur Verfügung. Er war erst bei der ersten Probe auf der ESC Bühne da und war so schmal, dass ich nur auf der Zehenspitze oben stehen konnte.
Da hilft das Yoga vor dem Auftritt doch sicherlich auch dabei.
Absolut (lacht).

Zusammengefasst kann man also sagen, du hast zwar einen Künstlernamen, bist aber als Performer jetzt keine total andere Person.
Man muss schon noch eine Schippe drauflegen, wenn man auf der Bühne steht. Natürlich hat mein Künstlername auch was damit zu tun, wie ich meine Musik an den Mann bringen möchte. Man muss eine Bühnenpräsenz haben, in dem Moment auf der Bühne muss man alles geben. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass irgendein Künstler das 24 Stunden jeden Tag durchziehen kann. Beim Auftritt kriegt man einen Adrenalin-Stoß und spürt die Energie der Leute im Publikum. Das ist eigentlich das Allerwichtigste. Ich blühe auf, wenn ich sehe, dass Leute die Lyrics zu meinen Songs mitsingen können. Das ist immer noch surreal. Die ersten paar Mal habe ich danach hinter der Bühne geheult. Ich konnte das nicht realisieren, das Gefühl ist so großartig. Ganz besonders, wenn man den Song selbst geschrieben hat. Zu sehen, dass sich die Leute mit etwas beschäftigen, das man selber gemacht hat ist unglaublich.

Wie sieht eigentlich dein Prozess beim Songschreiben aus? Setzt du dich hin und sagst: „Heute schreibe ich einen Hit?“ Oder wodurch lässt du dich inspirieren?
Es ist unterschiedlich. Manchmal hat man Inspirationsmomente um drei Uhr früh. Ich speichere diese immer gleich in meinem Laptop ab. Manchmal setzt man sich auch gezielt hin und überlegt sich etwas. Ich arbeite zum Beispiel gern mit Titeln. So hat man gleich ein Thema, an dem man sich orientieren kann.
Die typische Rockstar-Antwort wäre natürlich jetzt: am besten mit viel Alkohol. Wie sieht’s da bei dir aus?
Nathan: (lacht) Vielleicht mal ein Glas Wein. Das kann schon helfen.

Was fällt dir beim Schreiben eines Songs leichter, die Melodie oder der Text?
Ich mache eigentlich immer zuerst das Arrangement und den Beat. Dann kenne ich die Atmosphäre des Songs. Der Rest kommt dann meistens automatisch. Also zuerst schreibe ich die Musik; Text und die Melodie kommen danach.

Und welche Themen inspirieren dich am meisten?
Alles. Von dem Käfer, den ich auf einem Blatt in meinem Innenhof sehe, bis hin zu persönlichen Situationen. Ich weiß, man hört das immer wieder, aber Songs zu schreiben ist eine Art Therapie. Ein Weg, Dinge, die mir passiert sind, zu verarbeiten.

Das wird natürlich dann doch auch sehr schnell sehr privat. Gibt es einen Punkt, wo du sagst: „Das ist zu privat, das möchte ich nicht in der Öffentlichkeit hören?“
Das stimmt natürlich. In so einem Fall verpacke ich aber das Thema so, dass es allgemeiner klingt, sodass es auf unterschiedliche Weisen verstanden werden kann. Das Ziel ist, ein Gefühl zu erzeugen, das Leute nachvollziehen können. Klar macht man sich so auch auf eine gewisse Art verwundbar, aber dieses Risiko muss man eingehen.
"Running on Air" zum Beispiel klingt zwar happy, beschreibt aber die viele Arbeit, die von Menschen, welche nur das Resultat der Arbeit sehen, unbemerkt bleibt. Der Song gibt Motivation, das zu verfolgen, was man erreichen will. Ich habe das auf eine Art, die zu einem Teil sehr persönlich, zum anderen Teil sehr generell ist, verpackt. Man muss immer schauen, wie ein Song funktioniert.

Was hältst du von politischen Messages in Songs?
Jeder, der politische Messages in Songs einflechten will, soll das auch machen. Politische Themen waren ja zum Beispiel in den 60er und 70er Jahren ganz stark in der Musik vertreten. Auch heute geben viele Künstler ihren Songs solche Messages mit.
Beim ESC ist das natürlich eine andere Geschichte, dort sind ja politische Messages in Songs eher ungern gesehen.
 Ja, dort darf man das gar nicht.
Also das wird schon vorher überprüft?
Es gibt schon bestimmte Regelungen, welche die teilnehmenden Songs erfüllen müssen. Fluchen ist beispielsweise verboten.
Die Gewinnerin des letzten Jahres ist aus diesem Grund mit ihrem Song etwas ins Kreuzfeuer geraten…
Sie hat ihre Message allerdings elegant in historische Tatsachen verpackt. Das sei dahingestellt. Mein Ziel war es jetzt aber ohnehin nicht, eine politische Message in meinen Song zu packen, sondern ausschließlich, Menschen mit meinem Text zu motivieren und happy zu machen.
Das hat auch funktioniert.
Ja, bei vielen scheint es funktioniert zu haben. Leider nicht bei allen.

Was für Erfahrungen hast du eigentlich vom ESC mitgenommen? Für einen österreichischen Musiker ist es ja nicht so einfach, ein so großes Publikum zu erreichen.
Vor allem zugleich eine so große nationale wie internationale Aufmerksamkeit zu erreichen, ist Wahnsinn.

Was hat sich somit seit dem ESC für dich verändert? Musst du dich jetzt vor Schwärmen kreischender Teenager auf der Straße schützen?
(lacht) Nein. Naja, vielleicht ein bisschen. Das ist natürlich ein süßer Nebeneffekt, aber darum geht’s mir eigentlich nicht. Mein persönliches Ziel ist es, von der Musik leben und auf Tour gehen zu können und darüber hinaus genug Musik zu haben, die die Menschen inspiriert. Es wäre schön, wenn meine Musik ein Anlass dafür wäre, dass Menschen zusammenkommen. Musik und Sport waren immer schon Dinge, die die Leute verbunden haben. Und da ich nicht so sportlich bin…(lacht)
…bis auf ein bisschen Yoga…
…mache ich lieber Musik. Im Gegensatz zu Sport ist Musik auch schwer als Wettkampf darzustellen.
Aber der Song Contest ist doch schon als Wettkampf konzipiert?
Natürlich. Allerdings ist auch hier der Wettkampf ein sehr subjektiver, da jeder Mensch einen unterschiedlichen Geschmack hat. Man kann deshalb auch verschiedene Musikstile nicht von vorn herein verurteilen, weil jeder Mensch seine eigene Sicht und Meinung hat. Mit Musik sollte sich jeder ausdrücken können, wie er will. So wie auch bei diesem Fest (Anm.: der Regenbogenparade). Hier darf sich jeder so ausdrücken, wie er oder sie das möchte, weil es darum geht, freier zu sein. Für mich bedeutet absolute Freiheit, mich selbst so authentisch wie möglich zum Ausdruck bringen zu können.

Mit dieser schönen Note beenden wir das Interview. Hättest du noch eine Message für unsere Leser? Wo findet man dich online und wo kann man dich vielleicht bald live sehen?
 Social Media ist ein gutes Stichwort. Wer mir auf Instagram, Facebook oder Twitter folgt, wird über alle Neuigkeiten informiert; ich teile quasi mein ganzes Leben dort. Es gibt auch noch ein paar Konzerte von mir und gegen Ende des Jahres spiele ich in Innsbruck in West Side Story.

Danke für das Interview!

Gerda Doblhammer