Heart formed Brain im Interview

Am 06. März putzen wir das B72 so richtig durch! Unterstützung bekommen wir bei unserem fm5 Frühjahrsputz von drei großartigen österreichsichen Bands: Dust Covered Carpet, James Choice & The Bad Decisions und Heart Formed Brain. Bis zum Frühjahrsputz stellen wir euch alle Bands näher vor. Den Anfang machen Astrid und Martin von Heart Formed Brain!

Wie erklärt ihr jemanden, der noch nie etwas von euch gehört hat, eure Musik und was ihr macht?
Astrid: Ich sag meistens „Etwas ruhigerer Elektropop“. Aber eigentlich wäre die bessere Antwort „Hörs dir an“. Wir haben schon ganz unterschiedliche „Definitionen“ unserer Musik gehört. Da sollte man wahrscheinlich nicht zu viel erklären, sondern einfach reinhören.
Martin: Ich will mich auch gar nicht mehr nach Genres richten, ich sage auch immer es ist „eher poppig und wenn's dich zad hör's dir an“.  

Welchen Punkt markiert expulsion in eurer Karriere? Was wollt ihr?
Astrid:
Ich glaube für uns war es wichtig eine Art physisches „Ergebnis“ in der Hand halten zu können. Vor allem da nach den ersten zwei Konzerten immer wieder die Frage nach einer CD kam, haben wir uns dazu entschlossen diese auf eigene Faust zu machen. Nun wo die CD da ist, ist es uns vor allem aber wichtig möglichst viel live zu spielen, natürlich die CD zu verkaufen und an ganz vielen neuen Songs zu arbeiten.
Martin: Genau so ist es. Ein Produkt selbst zu machen, das am Ende annähernd professionell sein soll war bis jetzt das lehrreichste Unterfangen in meinem Leben. Was man da alles lernt ist unglaublich, auch über sich selbst. Und wie frustrierend das sein kann und vor allem wie viel Geld und Zeit man damit versenkt. Aber gerade das ist ja das Schöne daran!

Könnt ihr etwas zum Entstehungsprozess eurer Songs erzählen, wer macht was?
Astrid:
Das ist ganz unterschiedlich abgelaufen. Aber bei den ersten Songs haben wir sehr viel „jeder für sich“ gearbeitet. Martin hatte eine erste Idee, hats mir geschickt, ich hab dann das Gefühl, das der Song bei mir auslöst aufgegriffen und Gesangsmelodie und Lyrics entwickelt. Davon wollen wir aber jetzt etwas mehr weg und wieder mehr gemeinsam an Sachen arbeiten. Stimmts Martin?
Martin: Jap, am Anfang habe ich die Songs meistens schon sehr weit voraus produziert bis Gesangsmelodie und Lyrics darüber kamen. Das hat sich nun eher dahingehend entwickelt, dass wir Ideen sammeln und daraus Songs entstehen, egal was zuerst da ist. 3 Akkorde oder ein kurzes Sample oder Lyrics, meistens hat man dann schon den ganzen Song im Kopf, der dann vom jeweils anderen durcheinander geworfen wird. Das führt manchmal zu heftigen Streitereien, was aber wiederum den Songs hilft. Das ganze technische Zeug erledige ich.

Habt ihr einen persönlichen Lieblingssong auf dem Album, der euch mehr bedeutet als die anderen? Wenn ja, warum?
Astrid: Hmm schwierig. Some Day singe ich besonders gern live, da bin ich einfach immer sofort in dem Feeling drin. Waiting, das ja fast rein instrumental ist, versetzt mich auch beim Anhören immer wieder in eine ganz eigenartige, melancholisch-schöne Stimmung, das mag ich.
Martin: Gravity, weil ich den einfach am besten finde.

Deutschsprachige Musik ist momentan in aller Munde. Könntet ihr euch auch vorstellen, ein komplett deutschsprachiges Album heraus zu bringen? Wieso habt ihr euch für Englisch entschieden?
Astrid: Ich weiß gar nicht ob wir uns explizit dazu entschieden haben. Das kam bei der Art von Musik einfach raus. Ich persönlich schließe ein komplett deutschsprachiges Album für mich nicht aus. Ich weiß aber nicht ob es bei diesem Projekt wäre oder dann in eine andere Richtung ginge. Obwohl uns das schon jemand vorgeschlagen hat in Bezug auf Heart formed Brain
Martin: Stimmt, es war nie eine bewusste Entscheidung für die englische Sprache da, es hat sich einfach ergeben. Ich könnte es mir auch vorstellen, wobei es sicherlich eine schwierige Umstellung wäre. In letzter Zeit höre ich wieder sehr viel Falco und muss sagen, dass ich es liebe wie er Deutsch und Englisch vermischt hat, aber so einen genialen Schmäh wie er haben wir leider noch nicht.

Heart Formed Brain besteht aus 2 Mitgliedern und vor allem bei einer geraden Anzahl von Personen fällt es oft schwer, Entscheidungen zu treffen. Wie löst ihr das?
Astrid: Ja und wir haben noch dazu den gleichen Meixner-Dickschädel. Wir diskutieren halt sehr viel, manchmal streiten wir auch viel. Aber das gehört dazu. Bisher gabs zum Glück noch nie das Problem, dass wir uns bei einer Sache einfach gar nicht einig wurden.
Martin: Haha, es wird öfter mal sehr emotional und untergriffig, bis zur kompletten Infragestellung von der Band, aber so sind wir halt und ich liebe diese Leidenschaft dahinter.

Ihr seid ja Cousin & Cousine. Werdet ihr bei Familienfeiern manchmal genötigt, für die musikalische Untermalung zu sorgen?
Astrid: Bis jetzt nicht. Da gibt es aber zum Glück noch einige andere Musiker in der Familie, die das vielleicht übernehmen möchten.
Martin: Zu Weihnachten pack ich manchmal die Gitarre aus und es wird gemeinsam gesungen.
Astrid: Da bin ich leider nie dabei…

Musikstreaming-Dienste sind höchst umstritten und stehen in letzter Zeit vermehrt in der Kritik. Wie steht ihr zu Streaming-Diensten wie Spotify & Co: Fluch oder Segen?
Astrid: Wenn man das so genau sagen könnte….ich denke es ist auf jeden Fall positiv zu werten, dass das Nutzen von Streaming Diensten 2014 in Österreich zumindest zugenommen hat, besser als die Leute beschaffen sich die Musik nur durch illegale Downloads. Ich glaube das Bewusstsein dafür, dass MusikerInnen für Musik auch abgegolten werden müssen steigt. Ich denke mir gerade für eine Band wie wir es sind, die noch nicht so ein breites Publikum hat, ist jede Plattform auf der wir vertreten sind ein zusätzlicher Nutzen. Dass der Anteil den MusikerInnen von Streamingdiensten bekommen ein viel zu geringer ist, ist da natürlich wieder ein ganz eigenes Thema und sicherlich ein Problem.
Martin: Es entwickelt sich alles in Richtung Streaming, ich nutze es selber gerne, kaufe aber natürlich auch Alben, weil ich das physische Produkt gernhabe und mich mehr auf die Musik einlassen kann. Wenn ich jetzt negativ sein will, sage ich, dass Streaming in Wahrheit Kapitalismus in seiner übelsten Form ist. Hunderttausende Menschen stellen Content für weniger als einen Hungerlohn her, damit die Mehrheit am gemütlichsten und günstigsten konsumieren kann und ein paar Investoren durch den Börsengang der Plattform reich werden. Ich meine, ohne mich jetzt mit einem ausgebeuteten Kind ohne Möglichkeiten aus der dritten Welt vergleichen zu wollen, aber wir wissen ja alle schon längst unter welchen Bedingungen unsere Kleidung hergestellt wird und trotzdem mag es jeder lieber günstig, da nehme ich mich selbst nicht aus. Daher nehme ich an, dass die breite Masse schwer dafür zu sensibilisieren ist. Obwohl niemand unterschätzen sollte, was alles digitalisiert werden kann und wie viele Jobs in Zukunft dadurch gefährdet werden. Andererseits ist es auch eine gute Chance gehört zu werden und auch selber zu entdecken. Es gibt ja auch noch Menschen die gerne Alben kaufen und die  lieben Leute die uns gerne mit einem CD-Kauf unterstützen, danke nochmal an dieser Stelle. Das Ganze ist ja nicht schlecht und ich bin auch der Meinung, dass man Streaming gerecht umsetzen kann, nur hinkt zurzeit halt alles der Digitalisierung hinterher.

Rapper Nazar bezeichnete kürzlich HC Strache bei einem Konzert als „Hurensohn“. Wären für euch politische Statements oder Aufrufe ebenfalls denkbar?
Astrid: Nazar hat ja am selben Tag glaub ich in einem ZIB24 Interview darauf hingewiesen, dass es in Österreich ein Problem ist, dass zu wenige KünstlerInnen, SportlerInnen etc. wirklich Stellung beziehen. Da muss ich ihm voll und ganz zustimmen. Ich denke, wenn man einen breiten Personenkreis erreichen kann durch seine Musik sollte das auf jeden Fall auch „genutzt“ werden, um gesellschaftspolitische Themen anzusprechen. Jeder und jede der/die kann sollte Stellung beziehen und sich klar abgrenzen von Menschen und Parteien die eine menschenverachtende Politik betreiben. Das WIE bleibt dann natürlich jedem selbst überlassen.
Martin: Also Beschimpfungen wären nicht das Mittel meiner Wahl, aber das gehört zum Rap dazu. Manchmal muss man auch derb werden, um gehört zu werden und das was Nazar davor gesagt hat, war menschlich einfach nur groß - das Video dazu auf seiner Facebook-Page sollte man sich unbedingt ansehen. Stellung zu beziehen ist für mich jedenfalls interessanter als diese „ja nichts Falsches sagen“- Haltung. Was halt grauslig ist, ist dieser enorme Hass den manche Menschen entwickeln können. Meine Musik möchte ich gerne über diesen ganzen Politikscheißdreck stellen und nicht unbedingt zum Mittel meiner eigenen politischen Ideologie machen. Stellung beziehen kann man ja persönlich auch immer und ich sage absolut „Nein“ zur Politik vom HC! Auch ich kenne ein paar Pro-Fpöler und wir diskutieren viel, denn das ist wichtig. Wir mögen uns aber trotzdem, so sollte das auch sein, weil einem die Menschen nun mal wichtig sind.
 
Nach dem Sieg von Conchita Wurst beim ESC im vergangenen Jahr hörte man immer wieder Schlagworte wie Toleranz, Akzeptanz usw.: denkt ihr, dass Musik die Welt wirklich verändern kann?
Astrid: Ich denke der Sieg von Conchita war sicherlich ein wichtiges Zeichen. Wer schon mal auf einem Konzert war, wo 10.000 Menschen oder mehr dastehen und du merkst wie alle einfach nur Gänsehaut haben und ein Song grad alle EXTREM berührt weiß, was Musik mit Menschen macht. Und wenn es etwas mit den Menschen macht, macht es auch etwas mit der Welt. Und unsere Welt wäre auf jeden Fall eine ganz andere ohne Musik.
Martin: Mir ist das halt ein bisschen zu kitschig. Ich finde es traurig, wenn es anno 2014 noch immer Zeichen gegen Homosexuellen- und Transgenderhass geben muss, das sollte längst überwunden sein. Musik ist eigentlich überall und das einfach nur weil es den Menschen emotional berührt, daher bin ich der Überzeugung, dass Musik die Welt ständig verändert.

Was haltet ihr vom sogenannten „Elkegate“? Seit den Äußerungen von Frau Lichtenegger wird ja mehr österreichische Musik auf Ö3 gespielt.
Astrid: Das war witzig…wäre es eine ausgemachte Sache zwischen Elke Lichtenegger und der österreichischen Musikszene gewesen, wäre es eine geniale PR-Aktion. So wurden auf jeden Fall mehr Menschen auf die Problematik aufmerksam. Ob es wirklich viel gebracht hat…wage ich zu bezweifeln.
Martin: Haha stimmt! Natürlich war die Musikerseele kurz beleidigt, aber die Elke Lichtenegger kennt vielleicht vieles auch gar nicht was es bei uns gibt.

Wenn ihr euch rein hypothetisch irgendeinen Künstler aussuchen könntet, mit dem ihr zusammen arbeiten könntet: wer wäre es (egal ob lebendig oder tot, realistisch oder nicht)?
Astrid:
Da gäbe es viele. Amanda Palmer. ….Nazar. Ich war ganz begeistert von ihm bei der Popfest-Eröffnung letztes Jahr. Und ein Duett mit Trent Reznor.
Martin: Money Boy.

Vielen Dank fürs Interview!

Heart Formed Brain spielen am 06.03.2015 im B72 beim FM5 FRÜHJAHRSPUTZ (ebenfalls mit dabei: Dust Covered Carpet und James Choice & The Bad Decisions). HIER geht es zu Veranstaltung auf Facebook.
VVK (bei Jugendinfo): € 10
AK: € 12


 

Elisabeth Voglsam

Finger weg von meiner Paranoia, die war mir immer lieb und teuer.
Instagram: vogigram