Jugendsozialarbeiter Fabian Reicher und Journalistin Anja Melzer gehen in ihrem Buch "Die Wütenden – Warum wir im Umgang mit dschihadistischem Terror radikal umdenken müssen" dieser Problemstellung auf den Grund. Eine wichtige Arbeit, die leider unter der Aufmachung des Buches leidet.
Fabian Reicher ist ausgebildeter Jugendsozialarbeiter und mittlerweile- nach jahrelanger Arbeit als Streetworker und Sozialarbeiter für junge Leute- derzeit bei der Beratungsstelle Extremismus tätig.
Sein Buch "Die Wütenden – Warum wir im Umgang mit dschihadistischem Terror radikal umdenken müssen", das er zusammen mit Journalistin Anja Melzer schrieb, soll Einblicke in seine Arbeit geben, Ansätze liefern und Aufklärung bieten.
Doch hier landet der/die Leser*in leider schon beim ersten Problem. Denn die aufgezählten Dinge sind wohl vorhanden, allerdings hauptsächlich in einer Wurst. Hinzu kommen Gedankensprünge oder Unterbrechungen in Stories. In einen Sachbuch nicht unüblich, jedoch wünscht man sich doch hin und wieder einen Abstand oder einfach mehr Struktur. Ebenso erscheinen die Zwischenüberschriften zum Teil eigenartig gesetzt und an gewissen Stellen fallen Wortwiederholungen besonders auf. Das macht das Lesen nicht besonders angenehm. Jetzt ist ein Jugendsozialarbeiter natürlich nicht immer ein Schriftsteller, trotzdem fragt man sich welchen Job jetzt Journalistin und Lektor hatten? Denn wichtig wäre dieses Buch auf jeden Fall! Nach zwei Mal durchkämpfen erinnern die Kapitel immer noch eher an eine Erzählung oder einen gehaltenen Vortrag.
Der Vergleich "Herr der Fliegen", wäre zum Beispiel auch noch ein gutes Beispiel für ein Gespräch mit dem Lektor gewesen. Wäre in Anbetracht zur Parallele der zur Weißen Rose gezogen wird, dann nicht "Die Welle" von Morton Rhue noch schlüssiger?!
Inhaltsmäßig ist es überhaupt schade, dass verschiedene Terrorattentate und Gruppen so durcheinander vorkommen. So folgt auf den Terroranschlag in Wien, ein paar anderen Aufzählungen, plötzlich eine kurze Abhandlung über das Massaker von Srebrenica und hört genauso schnell wieder auf. Es ist wirklich interessant, dass viele pädagogische Maßnahmen in der Arbeit mit Jugendlichen erklärt werden, ob vom Autor selbst oder, oder wenn dieser Paolo Freire und andere Vordenker zitiert. Aber bitte nicht mitten in einer Story oder eines anderen Erläuterung. Fein ist, dass Fabian Reicher die wichtigsten Begriffe aus dem Islam, usw. erklärt, meistens so, dass es auch Laien gut verstehen. Eine Formatierung seitens des Verlags wäre hier nur angenehm gewesen.
Reicher schildert die wahren Geschichten von fünf Jungs, die mit Extremismus in Berührung kamen.
Die ersten der Burschen kennt er schon seit seinen Streifzügen auf der Donaupromenade und der dazugehörigen Einrichtung. Die fünf Schützlinge verpassten sich selbst ein Pseudonym und zusammen mit ihm arbeiteten sie an ihren Stellen - Dzamal arbeitet sogar mit Anja Melzer an seinem eigenen Buch. Fabian unterstützte sie in ihren Lebensabschnitten um ihr Leben auf die richtige Spur zu bringen. Eine beachtliche Aufgabe mit vielen Hürden, Ups and Downs, die nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Oft sitzt eine Kränkung tief, ein Trauma, oft ist es Unsicherheit, Wut, der kleine Junge gegen den Rest der Welt. Die Stories der Klienten machen betroffen, ob man will oder nicht. Es braucht viel Vertrauen und Zeit und ein offenes Ohr für die jungen Menschen, damit sie verstehen, dass wir alle gleich viel wert sind. Wenn man sich durch das Buch geschleppt hat, versteht man das. Schade nur, dass Fabian Reicher, seine schönen Ansätze und Erfolge nicht schöner aufbereitet veröffentlichen durfte. Dann könnte man das Thema einer breiten Masse zugänglich machen. Für Sozialarbeiter*innen, Einsatzkräfte, Lehrpersonal und besorgte und betroffene Erziehungsberechtigte und die Jugendarbeit empfiehlt sich das Buch trotzdem.
Die Wütenden - Warum wir im Umgang mit dschihadistischem Terror radikal umdenken müssen
von Fabian Reicher und Anja Melzer
erschienen bei Westend
Klappenbroschur, 225Seiten, 18,50€