Das Warten hat ein Ende! Vier Jahre nach „Write About Love“ veröffentlichen Belle and Sebastian am 18.01.2015 ihr langersehntes Nachfolgewerk „Girls in Peacetime Want to Dance“. Es scheint so, als ob dem Glasgower Indie-Ensemble rund um Stuart Murdoch – ein weiterer großer Wurf zwischen tiefgreifenden Gefühlen und tanzbaren Indiepop-Perlen gelungen ist.
Eigentlich bin ich eher der Typ, der die Wiener Lokal Szene rund um das B72, das Flex und das WUK unsicher macht. Im Jahr 2002 ging ich jedoch eine Liaison mit einer Frau ein, die sich eher zu Gigi D’Agostino und Konsorten hingezogen fühlte, als zu alternativen Klängen. Das Ganze musste in einem Fiasko enden. Nachdem ich mich sechzehn Monate in eher kommerzielleren Etablissements herumgetrieben habe, bin ich 2004 ins Flex zurückgekehrt, das ich zu jenem Zeitpunkt vielleicht drei- oder viermal besucht hatte. Wow! Wie gut das tat, endlich wieder – für meinen Geschmack – normale Musik zu hören. Gitarren, Bass, ein echtes Schlagzeug! Welche Wohltat. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal den Manshee, Resident Dj vom London Calling, begrüßt habe. Die Hintergrunduntermalung hätte nicht besser sein können: es war Belle and Sebastian's „I’m a Cuckoo“ vom formidablen „Dear Catastrophe Waitress“ Album von 2003. Im Laufe des Abends hörte ich noch „Wrapped Up In Books“, worauf ich mir am nächsten Tag eben jene Platte gekauft habe, die – im Laufe der nächsten Monate heavy auf meinem Plattenspieler rotierte.
Mit „The Life Pursuit“ hatte die Band ’06 einen würdigen Nachfolger gefunden. Songs wie „The Blues Are Still Blue“ oder „Funny Little Frog“ zeugen von der vollendeten Leichtigkeit, die der Band den Liebhaberstatus verschafft hat, für die sie Fans und Kritiker gleichermaßen lieben. Ihr Spektrum ist so breit gefächert, wie die Leute die sie hören; beinhält es doch Melodien leicht verregneter Nachmittage für traurige, dreißigjährige Männer, die ihre Freizeit lesend in ebenso tristen Cafes verbringen, bis zu melancholisch-euphorisierten Mädchen, welche tanzbeinschwingend das Wochenende nutzen, um sich eine Lernpause von ihrem Studium zu gönnen. In gewisser Hinsicht rundete „Write About Love“ mit seinen gemütlichen bis motivierenden Tracks einen Triologie-Zyklus ab, den man ruhig als kleines Miniatur-Comeback bezeichnen kann. Vom beschwingenden Opener „I Didn’t See it Coming“ bis zu „Write About Love“ eine überdurchschnittlich gute Platte. Trotz Norah Jones Feature (die sich zu eben jener Zeit nur noch als Duettpartnerin Gehör verschaffen konnte, da nach „Feels Like Home“ jedes Album hinter den Erwartungen zurückblieb).
Auf zu neuen Levels
Wer die Band bereits seit längerem kennt, den wird die beschwingte Grundstimmung des neuen Albums vermutlich überraschen; Belle and Sebastian waren partout nie in Schubladen einzuordnen, aber mit „Girls in Peacetime Want to Dance“ erreichen sie nochmal ein neues Level, das uns zeigt, wie harmonisch sie zwischen den einzelnen Genres hin und herwechseln können. Wenn wir zu „Are You Feeling Sinister“ zurückgehen, hätten wir uns wohl nicht gedacht, dass Stuart Murdoch eines Tages Phrasen wie „Jump to the beat of the partyline, there is no one in here but your body dear“ ausruft. So zu hören auf der ersten Single „The Party Line“, die bereits zeigt in welche Richtung es instrumentarisch geht.
Man fühlt in gewissen Momenten eine massive Talking Heads-Beseeltheit, erwartet bei „Perfect Couples“ geradezu, dass David Byrne aus der Basstrommel hüpft und als Backgroundvocalist miteinsteigt (was leider ausbleibt). Mit Ben H. Allen (Gnarls Barkley, Animal Collective, Bombay Bicycle Club) hat sich der richtige Produzent zum richtigen Zeitpunkt gefunden. Der Sound bewegt sich – mal druckvoll, mal leise – genau im richtigen Maße, welcher der Band sehr gut zu Gesicht steht. Wohldosierte Elektronik („Enter Sylvia Plath“) trifft auf ABBA-esken Pop („Play For Today“) gepaart mit Early 90‘s Electrosoul, der mal an die Pet Shop Boys, mal an The Smiths erinnert.
Ein Überraschungsei ist es geworden, dieses Album, das einerseits ganz anders ist als, das was wir in den letzten Jahren von ihnen gehört haben, aber dann doch für den typischen Belle and Sebastian- Abwechslungsreichtum sorgt. Es wird wohl wieder ein euphorischer Frühling dieses Jahr, der mich in meinem Auto zu „Ever Had a Little Faith“ mitsummen oder vorm abendlichen Ausgehen über „The Party Line“ hüpfen lässt. Wie es auch kommt, es war wieder genau der richtige Zeitpunkt für ein neues Belle and Sebastian Album.
Belle and Sebastian – Girls in Peacetime Want to Dance
Matador
VÖ: Jänner 2015