Kreisky - Blick auf die Alpen

Nach dem Anhören des letzten Kreisky Albums Trouble haben mir die Ohrwascheln geklingelt. Deshalb habe ich in weiser Voraussicht den Lautstärkeregler scharf nach links gedreht bevor ich das neue Album aufgelegt und anschließend auf Wiedergabe gedrückt habe. Diese Vorsicht hat sich bezahlt gemacht, denn der neue Kreisky Longplayer Blick auf die Alpen katapultiert den Hörer, und zwar egal welchen, ohne Umschweife in die helldunklen inneren Monologe des Franz Adrian Wenzl.

Gewalttätig wie immer klagt der Texter und Sänger über die so grausame Welt und deren Heimsuchungen. Und gerade weil seine Anklagen so gewalttätig und verzweifelt klingen, kauft man sie ihm auch ab. Es ist exakt diese authentische Darbietung der Verzweiflung welche die Musik Kreisky’s zum Leben erweckt und nicht zuletzt um mindestens das Doppelte aufwertet. Die Tatsache, dass Verzweiflung derzeit äußerst in Mode ist, ist für dieses Unternehmen natürlich nur von Vorteil, da kann die Musik scheppern so viel sie will und das tut sie auch dieses Mal. Allerdings nur bis Minute zwei, dann ist das Eröffnungsstück, entgegen aller Vermutungen, nicht zu Ende sondern windet sich vollkommen erhaben über die prognostizierte Ablehnung der FM4-ist-Kommerz-Schösel in ein Pop-Epos wie man es sich schon lange gewünscht hat. Dass dieser Wunsch ausgerechnet von Kreisky erfüllt wird, kann gelinde gesagt als Überraschung verstanden werden. Über die Tatsache, dass die Band nach so einer Eröffnung nicht mehr viel falsch machen kann, fährt einerseits die Eisenbahn und andererseits macht es Vorfreude auf den Rest, und der sollte eine gemähte Wiese sein. Und tatsächlich, man wird nicht enttäuscht, auch weil man den meisten Liedern nicht einmal eine zweite Chance geben muss. Sie nutzen sie bereits beim ersten Mal.
Wie im zweiten Stück "Selbe Stadt anderer Planet", in der Martin, Gregor, Klaus und Franz ganz klassisch allen außer sich selbst die lange Nase zeigen und damit eine weitere sehr gelungene Karikatur der Österreichischen Seele zeichnen. Pragmatisch betrachtet ist es in diesem Zusammenhang nicht nur erfrischend, sondern sogar essentiell eine Band wie Kreisky zu haben, denn auch Manfred Deix wird es nicht ewig geben und was er zeichnet, ist exakt das was man bei Kreisky hört und umgekehrt.

Natürlich darf man auch ein wenig grantig sein und sich beim Salzamt beschweren, zum Beispiel darüber, dass der Humor dieses Mal komplett fehlt. Wenn da nicht ein Lied namens "Die Wildnis" wäre, hier kann man je nachdem wie es um Humor und Laune bestellt ist entweder lachen oder viel lachen. Man selbst hat die Wahl.
Aber man muss sich aufbudeln. Beispielsweise darüber, dass der Dreck fehlt. Ja das ginge. Der atemlose Gesang, die klirrenden Gitarren und so, das war schon sehr alternativ, zwar nicht schön aber so anders, so richtig kein Kommerz halt. Wenn du gesagt hast, du hörst Kreisky, haben alle ohne Vollbart, Weird is Rad Budlhaube und Löchern in der Hose sich gedacht, dass du der ure Freak bist, und das war volle geil weil dann warst du so ein stranger, aber so volle halt. Aber jetzt…im Gegensatz zu Kreisky von früher, wirken sie so clean, so angepasst, so 2013.

Schnauze!
Das neue Album, welches am Freitag den 21.03. in die Läden kommt, ist weder besser noch schlechter als die drei Vorgänger. Die neun Songs ergeben mit ihrem klassischen Tracklisting ein in sich geschlossenes Werk. Keine Sekunde zu kurz und auch keine zu lange. Diese Veröffentlichung, unterstützt von der EP Selbe Stadt anderer Planet mit vier weiteren Songs, ist so komplett wie die Krautfleckerln in Friedrich Torbergs Werk Die Tante Jolesch, mit dem Vorteil, dass man sich Blick auf die Alpen immer und immer wieder anhören kann. Das Conclusio der aufmerksamen Hörer dürfte auch nach dem x-ten Mal abspielen einhellig sein, hier stimmt einfach alles.

Kreisky - Blick auf die Alpen
VÖ: 21.03.14
Wohnzimmer Records

Philipp Pfeiffer