Patti Smith auf ihren Status als „Godmother of Punk“ zu reduzieren, wäre ihr gegenüber nicht fair. Allein ihr Debüt-Album Horses, welches vor 40 Jahren erschien, umspannt mehr Genres als manche Musiker über eine komplette Karriere bedienen können. Einflüsse von Classic Rock, Punk, Blues, Raggae und New-Wave wechseln sich quasi minütlich ab. Der runde Geburtstag des legendären Albums ist auch der Grund, warum Smith wieder in Wien aufschlägt.
So lud sie in die restlos ausverkaufte Wiener Arena, um zum Ursprung ihrer Karriere zurückzukehren. Und ein mittlerweile drei Generationen umfassendes Publikum daran zu erinnern, dass Musik früher nicht nur Selbstzweck sondern Statemant war. Vor Beginn des Konzerts ist man als geneigter Zuseher noch skeptisch, ob der großartige Ruf, welcher der Grande Dame der 70er-Jahre-Protestbewegung vorauseilt, heute noch gerechtfertigt ist. Doch schon in dem Moment, in dem Smith und Band die ersten Takte des Über-Klassikers „Gloria“ spielen, sind alle Zweifel ausgeräumt. Was Smith auf der Bühne bietet, ist mehr als Peace & Love – es ist purer Sex, gepaart mit Drugs und Rock N‘ Roll. Großartig bei Stimme, hat Smith rein gar nichts von ihrem rebellischen Spirit eingebüßt. Sie spielt kein Konzert, sie zelebriert eine Messe für eine Generation, deren Musik Ausdruck unbändiger politischer und gesellschaftlicher Überzeugung war. „My Generation, we had dreams!“, sagt sie bedeutungsschwanger gegen Ende des Konzerts. Danach hält sie ihre Gitarre hoch und schreit: „The weapon of my generation! We don’t need the war, the nuclear bomb, we have the electric guitar!“ Während politische Statements bei vielen anderen Musikern heute nur noch der Selbstdarstellung dienen, wirkt es bei Smith zu jeder Sekunde bis aufs Blut authentisch.
Smith wird zudem nicht müde, verschiedener Weggefährten zu gedenken: Johnny Thunders, Jim Carrol, Lou Reed, um nur einige zu nennen. Letzterem wurde mit einem Velvet Underground-Medley besonderer Tribut gezollt.
Die Setlist deckt sich größtenteils mit dem Horses-Album, garniert mit mit späteren Klassikern wie „People Have The Power“ oder „Ain’t It Strange“. Zum Abschluss gibt Smith noch ihre krachende Cover-Version von „My Generation“ zum Besten. Hier fällt dem aufmerksamen Hörer eine markante Text-Änderung auf: Aus „Hope I die...“ wird „Hope I live because of it“ – Smith hat also trotz allem Ihren unbändigen Lebenswillen nicht verloren.
Fazit: Die Mutter aller Riot Grrls zeigt bei Ihrem Konzert, welchen gesellschaftspolitischen Wert Musik haben kann – einen Wert, den junge Hörer heute fast nur mehr vom Hören-Sagen kennen. Die Energie, die Überzeugung und damit einhergehend die Intimität, die sie damit beim Publikum erzeugt, ist einzigartig. Eine überragende Show einer würdevoll gealterten Ikone.