New Wave Kult bei Festival-Wetter

Mangelndes Hitmaterial war nicht das Problem der New Wave Ikonen "Blondie". Die Band hatte bei ihrem Arena-Auftritt am 11. September mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Über 40 Millionen verkaufte Alben, ein Teilzeit-Model am Mikro, und nach 40 Jahren Musikgeschichte immer noch am Leben – so wirklich punkig, wie oft behauptet, wirken Blondie auf den ersten kritischen Blick nicht mehr. Sei’s drum, die Musik macht Spaß, die Videos erinnern an die Zeit, als MTV für das Ausstrahlen von Musikvideos gefeiert wurde (heute ein fast skurriler Gedanke). Pünktlich zum runden Geburtstag beehrten Deborah Harry und ihre Burschen die Wiener Arena, um mit den Fans vier Dekaden Blondie zu feiern.

Die Setlist bot kaum Überraschungen. Vom großartigen „Hanging By The Telephone“ über die Welthits „The Tide Is High“, „Call Me“ und „Heart Of Glass“ bis zum abschließenden „Dreaming“ war alles dabei, aufgefettet wurde die Song-Auswahl mit Stücken vom letzten Album Ghosts Of Download, die vom Publikum wohlwollend beklatscht wurden. Betrachtet man die Historie der Band, dann merkt man ohnehin schnell, dass mangelndes Hitmaterial nicht das Problem der New Wave Ikonen ist. Die Band hatte bei ihrem Arena-Auftritt mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.

 Das Wetter: Strömender Regen veranlasste die Veranstalter, das Konzert schon auf 19.30 Uhr vorzuverlegen, um 21.00 Uhr war der Spuk vorbei. Die Arena war gut gefüllt, die Atmosphäre erinnerte entfernt an die Salzburger Frequency-Zeiten, einer euphorischen Stimmung waren die Umstände aber nicht unbedingt zuträglich.

Das Kreuz mit dem Kreuz: Wirkte Debbie Harry (mit platin-blondem Bob und Sonnenbrille als Andy-Warhol-Lookalike) anfangs etwas steif und unbeweglich, fragte sie schon bei der ersten Publikumsbegrüßung scherzhaft, ob sich ein Chiropraktiker im Publikum befinde. Die Frage sollte vermutlich ironischer klingen, als sie das tat – Frau Harry kämpfte sich tapfer durch das Konzert, konnte die eingeschränkte Beweglichkeit aber nur bedingt kaschieren. Doch bei aller Fairness: Debbie Harry ist fast 70, und automatisch die Agilität von Mick Jagger vorauszusetzen, wäre lächerlich. Aus diesem Grund Respekt an die Sängerin fürs Durchbeißen – viele jüngere Kollegen hätten das Konzert vermutlich abgesagt (zumindest Pete Doherty).

Die Tontechnik: Weder das Wetter noch körperliche Beschwerden lassen sich beeinflussen, die schlechte Tontechnik jedoch war tatsächlich ärgerlich. Gerade beim Opener „One Way Or Another“ und später bei „Call Me“ (zwei der stärksten Nummern von Blondie) ging die markante Stimme der Sängerin komplett unter. Nach mehrmaliger Reklamation durch die Band wurde der Sound zur Mitte des Konzerts klarer, bis dahin wurden leider schon einige Hits verheizt.

Aber genug geraunzt, widmen wir uns den schönen Seiten des Arena-Gigs: Selbst ein schwacher Blondie-Song ist immer noch ein eingängiger Ohrwurm, Songs wie „Atomic“ (das Highlight des Abends) oder „Rapture“ sind schlicht unverwüstlich.  Zwischendurch bewies die Band Humor und coverte „Fight For Your Right“ von den Beasty Boys sowie Deee-Lite‘s „Groove Is In The Heart“. Die Bühnenshow war dezent und geschmackvoll, die eingespielten Videos unterstrichen das Retro-Feeling auf angenehme Weise. Als Pausenfüller lobte Debbie Harry auch artig das Publikum, ihre Band sowie die Stadt Wien an sich.

Fazit: Alles in allem waren es keine großartigen, aber kurzweilige 90 Minuten, die Blondie den Fans zum Bühnen-Jubiläum bescherte. Es wäre sicher mehr drin gewesen, was aber nicht Schuld der Band war. Was primär bleibt, ist die Bestätigung, dass die New-Wave-Heroen der 80er früher verdammt starke und kultige Ohrwürmer heraus brachten.

Mathias Frank