"Man kann die Zukunft nicht aufhalten. Aber mitgestalten"

Die neue Interviewreihe. Kein Techniktalk, nur talentierte Fotografen. Diesmal mit: Simon Bolz, Aktfotograf.

Hallo Simon, wann hast du mit der Fotografie angefangen?
1998 habe ich mein Design-Studium an der Academy of Visual Arts in Frankfurt begonnen. Dort bin ich erstmals intensiv mit allen technischen Aspekten der Fotografie, der Kompositionslehre und dem Arbeiten mit Licht konfrontiert worden. Das war sehr spannend und hat mich so gefesselt, dass ich unbedingt noch mehr über Fotografie lernen wollte.

Bist du Autodidakt?
Im Hauptstudium habe ich mich zwar auf Fotografie spezialisiert, aber wenn man dort fertig ist, ist man noch lange kein Fotograf. Anschließend habe ich sehr viel experimentiert, viele gruselige und peinliche Fotos produziert und alles Mögliche fotografiert. Es hat dann rund vier Jahre gebraucht, bis ich meinen eigenen Stil gefunden hatte.

Wie würdest du selbst deinen Stil beschreiben?
Intensiv, neugierig, dicht, erotisch, mit einem Augenzwinkern - das alles sind Attribute, die ich meinen Bildern geben würde. Mich fasziniert immer diese Gradwanderung, denn so schnell kann Aktfotografie billig, anspruchslos und plump werden. Hier nicht abzurutschen, obwohl ich sehr einfache und natürliche Fotos mache, ist immer mein wichtigstes Anliegen. Dazu lege ich größten Wert darauf, dass ich Frauen nicht als Objekte darstelle, sondern als starke Persönlichkeiten, die stolz auf ihre Körper sind und Spaß daran haben, mit ihren Reizen zu spielen.

Fotografierst du lieber analog oder digital?
Heute möchte ich nicht mehr in die analoge Welt zurück. Die digitale Fotografie bietet soviele Vorteile, das ist schon einmalig. Ich bin aber kein Technik-Junkie, d.h. ich brauche nicht immer noch mehr Megapixel und bearbeite meine Bilder auch möglichst wenig.

Gibt es Menschen, die du unbedingt vor die Linse haben möchtest?
Wir leben aktuell in einer Zeit, in der Frauen schnell als Flittchen beschimpft werden, wenn sie sich vor der Kamera ausziehen. Zensur ist dank Facebook und Instagram absolut salonfähig geworden. In den 1970er und 80er Jahren war das noch anders. Hier wurden Frauen, die sich auszogen gefeiert und bewundert. Nacktheit war viel natürlicher. Wenn es also möglich wäre, etwas von diesem Esprit wieder zu bekommen, dann würde ich gerne genau solche Frauen vor meiner Linse sehen.

Du hast ja vor Kurzem dein Buch „Frisky“ veröffentlicht. Wie kam es dazu? War es immer ein Traum von dir, ein Buch zu veröffentlichen?
Ein Verlag war an mich herangetreten und schlug mir vor, ein Buch "Sexy Fashion" zu machen. Da habe ich die Augenbrauen ganz weit hoch gezogen und den Kopf geschüttelt. Aber die Idee für einen eigenen Bildband war geboren. Seit letztem Jahr arbeite ich an meinem neuen Buch, das voraussichtlich 2018 erscheinen wird.

War es mehr Arbeit als erwartet?
Es war unglaublich viel Arbeit, aber da mein ganzes Herzblut darin steckte, habe ich das gerne in Kauf genommen. Das positive Feedback, das ich bekommen habe, hat alle Anstregungen wieder wettgemacht.

Wenn du ein Foto auswählen müsstest, welches deine Arbeit am Besten zusammenfasst, welches wäre das?
Es wäre ein Bild von Carla Monaco, das ich in Leeds aufgenommen habe. Sie sitzt nur mit Strümpfen bekleidet in einem schwer aufgemotzten Porsche 911 und ihr Helm trägt die Aufschrift "Fuck yeah" (Anm.: siehe Foto oben). Als wir das Bild geschossen haben, waren es nur 13 Grad draußen, immer wieder prasselte der Regen herunter und ich habe mir gedacht, Simon, warum bist Du für dieses Shooting nach England geflogen? Später am Flughafen war ich richtig glücklich über meine Fotos.

Social Media und die Fotografen-Szene: Fluch oder Segen?
Man kann die Zukunft nicht aufhalten. Aber mitgestalten. Deshalb bin ich auf den sozialen Netzwerken präsent, klebe aber nicht an ihnen. Mich begeistert es, mit anderen aktiven Menschen in Kontakt zu stehen. Die Schlacht um die meisten Likes mache ich aber nicht mit. Das ist mir zu albern.

Was ist für dich der beste Film aller Zeiten?
Recht unterhaltsam finde ich "Der Volltreffer" (The Sure Thing) von 1985 mit John Cusack. "Vicky Cristina Barcelona" und andere Woody Allen Streifen schaue ich mir sehr gerne an. Ansonsten liebe ich das französische Kino sehr, z.B. Filme wie "Kleine Wahre Lügen".

Zum Schluss: Ein kurzer Tipp für Menschen, die FotografIn werden wollen?
Neugier und guter Geschmack sind die wichtigsten Zutaten für gute Fotos. Setzt Euch nicht so viel mit anderen Fotografen auseinander, publiziert nicht jedes Bild direkt auf Instagram und Facebook, sondern beschäftigt Euch mit Euch selbst. Versucht in Euch hinein zu hören, fotografiert viel, probiert Euch aus. Wenn Ihr selbst ein Gefühl für Eure Art zu fotografieren bekommt und wisst, warum Ihr was wie macht, bringt Euch dies meilenweit nach vorne. Und lasst Euch Zeit.

 

Vorschläge, Kritik und Liebesbriefe an: alexandermach.plus@gmail.com

Alexander Mach

Macht Fotos und mag Internet