I stay down with my demons

Emotionale Größe, Eleganz, Erhabenheit. "Trouble Will Find Me", dem sechsten Studioalbum der amerikanischen Alternative-Institution The National, fehlt nicht viel auf ein nächstes Meisterwerk.

Viel scheinen The National in den letzten Jahren nicht falsch gemacht zu haben, sieht man sich die Rezeption deren Schaffens an. Ein erfolgreiches Album nach dem Anderen, umjubelte, nachhaltige Konzerterlebnisse vor vielen Tausend Menschen, einen hervorragenden Ruf allerorten. Da kann man es sich schon mal erlauben mit seinen Fans ein bisschen zu spielen: "Oh and also, thought you might like to know that we'll be putting out a new album in May", lautete der Nebensatz eines Facebook-Postings, der mittlere Begeisterunggsstürme und Like-Fluten auslöste. Hm, well thought, liebe National!

Tunnel Vision Leads My Way

Eigentlich kann so ein Album dann ja nur großartig werden, oder? Die Erwartungshaltungen, seien sie jetzt im Feuilleton, der U-Bahn-Zeitung oder Internetforen geäußert, waren jedenfalls immens, nicht selten war auch vom "designierten Album des Jahres" zu lesen. Ein bisschen überzogen also alles, aber zu einem Gutteil wohl auch berechtigt. Auch wenn The National gerne ein klein bisschen mit Erwartungshaltungen spielen, tolle Platten haben sie ein ums andere mal abgeliefert. Und ja, es ist ein bisschen langweilig, in diesen Tenor jetzt einzustimmen und die hymnischen Lobpreisungen zu affirmieren. Aber berechtigt.

Glücklicherweise gehen die New Yorker immer noch gern ironisch mit Erwartungshaltungen um. "You should know me better than that", lautet die repetitive Phrase des Openers "I Should Live In Salt".
Was sich auf den folgenden 55 Minuten entwickelt, ist jedoch ein National-Album im gewohnten Sinne, setzt auf alte Stärken und die überraschenden Momente sparsam, aber ganz bewusst ein.
Stets etwas distanziert und zurückhaltend konzipiert, sehr präzise instrumentiert und von Matt Berningers Brummstimme kommentiert erheben sich die 13 Songs zu einem wahren Gebirge der Gefühle, das sich einem da in den Weg stellt. Ausweichen ist da unmöglich, man wird in den Bann gezogen und von Berningers Sprechgesang den schmalen Grat am Abgrund der Seelentiefe entlang geführt.

"I have only two emotions/Careful fear and dead devotion", heißt es in "Don't Swallow The Cap", was man natürlich nicht allzu wörtlich, aber doch als selbstreflexives Statement nehmen darf. Es ist eine warme Mischung aus Melancholie, Resignation und stetig leicht glimmender Hoffnung, die sich Berninger wie einen schützenden Mantel um die Schulter hängt und von Anfängen, Abschieden und Wiedersehen erzählt. Es sind halt immer noch die alten Dämonen, mit denen sich The National herumschlagen.

It wasn't like a rain, it was more like a sea

Einen Unterschied zum von Kritikern wie Publikum gefeierten Vorgänger High Violet findet man in der Dynamik, die weniger Ausreißer als beim letzten Album aufweist, fast so, als hätte man sich mit dem Schicksal abgefunden und das Aufbegehren aufgegeben. Aber eben nur fast. Trouble Will Find Me orientiert sich schließlich einfach mehr am immer noch als Meisterwerk geltenden Boxer - homogen und vielseitig zugleich, mit gelassenem Gestus und einer alles überstrahlenden, herzerwärmenden Klangfarbe.

Ein großer, manchmal auch mehrere Anläufe fordernder, Song reiht sich an den anderen, intensiv und oft überwältigend sind die präzise komponierten Perlen des Albums und doch kann man sich am Ende nicht des Gedankens  erwehren, dass hier der rote Faden fehle. Was Boxer 2007 noch in Perfektion geschafft hat, daran scheitert das jüngste Werk ein wenig. Zwar sind Opener und vor allem der Schlusssong "Hard To Find" stimmig gewählt und sinnvoll positioniert, dazwischen hat man aber ab und zu das Gefühl,  es nicht mit einer vollendeten Einheit zu tun zu haben.
Soll sein. Dann ist eben Trouble Will Find Me eben doch knapp kein Meisterwerk (in your face, Erwartungshaltungen), sondern einfach ein sehr gutes Album mit hervorragenden Songs und einer Intensität, die selten woanders erreicht wird. Oder einfach: A sea of love.

The National - Trouble Will Find Me
VÖ: 17.05.2013
4AD/Indigo

Julius Schlögl