Eine Rave-Party mit Lady Gaga

Lady Gaga schaffte es in 2 Stunden mit 11 Kostümwechsel, 12 Tänzerinnen und Tänzern und mehreren Stilwechseln von Rave bis Jazz, ihre Monster in der Wiener Stadthalle zum Ausrasten zu bringen. Wir waren dabei und haben uns das Spektakel für euch angesehen.

Lady Gaga schaffte es in 2 Stunden mit 11 Kostümwechsel, 12 Tänzerinnen und Tänzern und mehreren Stilwechseln von Rave bis Jazz, ihre Monster in der Wiener Stadthalle zum Ausrasten zu bringen. Wir waren dabei und haben uns das Spektakel für euch angesehen.

Beim Betreten der Stadthalle um 20:30 Uhr waren wir gleich zum ersten (und nicht letzten) Mal an diesem Abend etwas verwundert: waren wir wirklich in der Stadthalle? Oder war es doch eine Großraumdisko? Techno dröhnte in viel zu laut aus den Boxen und machte es fast unmöglich, sich zu unterhalten. War das bereits Teil des großen, genialen Lady Gaga-Plans? Den Zuschauern bereits vor Konzertbeginn möglichst auf die Nerven zu gehen, sie an ziemlich schlechte und viel zu laute Musik gewöhnen, damit sie dann einfach froh sind, wenn das Grauen endlich aufhört und für alles andere dankbar sind?

Nach kurzer Akklimatisation in der Großraumdisko war der Zeitpunkt gekommen, sich der massiven Bühne zu widmen. Abgesehen von der großen Hauptbühne waren überall im Stehplatzbereich weitere Bühnenteile aufgebaut, die durch Stege miteinander und mit der Hauptbühne verbunden waren. Die Bühnenbild, vor allem die kleineren Bühnen, erinnerten etwas an Eisbars, wie sie gerne im Apré Ski Verwendung finden.

Dann war es endlich so weit: kurz nach 21:00 Uhr fiel plötzlich der Vorhang, die Musik hörte auf und auf der Bühne: nichts. Sekunden, die sich wie Minuten oder Stunden anfühlten, vergingen, bis endlich wieder Musik einsetzte, Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne kamen, sich der Boden auf der Hauptbühne öffnete endlich die Pop Queen auftauchte. Die Strategie, das Publikum bereits vorher an möglichst laute und beatintensive Musik zu gewöhnen, schien aufzugehen: das Publikum war nicht zu halten, schrie und sang jedes Wort mit.

Lady Gaga rief auf, die Kunst feiern – und verwandelte die Stadthalle dabei in eine Disko, in der Drogen wohl eine große Rolle spielen dürften. Vor allem zu Beginn, musste man sich fragen, ob sie wohl vor dem Konzert zu tief ins Glas geschaut hat oder völlig mit Drogen vollgepumpt ist. Allem voran der Moment, in dem sie plötzlich und scheinbar ohne wirklichen Zusammenhang a capella Cabaret sang, brachte das Publikum aus der Fassung und man wusste nicht so recht, was man damit nun anfangen sollte. Im Lauf der Zeit verflog dieser Eindruck erstaunlicherweise aber und Gagas Zustand schien sich etwas zu normalisieren.

Auch wenn man immer wieder Unkenrufe hört, die große Karriere der Lady Gaga sei bereits vorbei und sie verdiene sich den Titel „Queen Of Pop“ nicht mehr: Abgesehen von diesem Moment der Verwirrung hat Lady Gaga ihr Publikum absolut im Griff: es reicht, wenn sie einfach nur die Titel ihrer größten Hits aufzählt – sie muss sie nicht mal singen – um die Fans zum durchdrehen zu bringen. Schon nach einer halben Stunde wurde das Bedürfnis, Hits zu hören, befriedigt: Es folgte der erste Hit-Block mit Just Dance, Pokerface und Paparazzi und aus den schweren Beats wurden endlich Songs. Zwischendurch, während Lady Gaga von der Bühne verschwand um einen ihrer zahlreicher Kostümwechsel zu vollziehen (einer erfolgte direkt auf der Bühne – inklusive komplettem Ausziehen), und ihre Band alleine spielte, konnte man sogar erahnen, dass Musik nicht nur aus Beats bestehen muss – es war teilweise sogar eine Melodie zu erkennen. Nicht schlecht!

Highlight des Konzertes war ausgerechnet ein Cover, nämlich die beeindruckende Version des 4 Non Blondes-Klassikers What’s Up. Endlich stellte Lady Gaga unter Beweis, dass sie eben viel mehr kann, als sich halbnackt auf den Hintern zu klopfen, wie wild herum zu hüpfen und sich lustige Kostüme anzuziehen. Lady Gaga schaffte absolutes Gänsehaut-Feeling, als sie sich in das Lied hineinsteigerte, keine große Show machte und einfach nur sang. Auch bei den danach folgenden Nummern stand die Show im Hintergrund und der Gesang im Vordergrund. Lady Gaga saß am Klavier und: sang. Eine perfekte Auszeit für Augen und Ohren und Zeit, um sich vom vorangegangenen Reizüberfluss zu erholen.

Ein wirklich berührender Moment – falls er denn echt und nicht inszeniert war – folgte kurz danach und zeigte die ganz besondere und außergewöhnliche Beziehung zwischen Lady Gaga und ihren Fans. Sie hob wahllos einen der Briefe auf, der auf die Bühne geworfen wurde und las den gesamten Brief vor. Der Verfasser teilte ihr darin in außergewöhnlich gutem Englisch mit, was Gaga für ihn bedeutete. Gaga ließ sich nicht lumpen und holte ihn und seinen Freund direkt auf die Bühne. Die beiden wirkten nicht hysterisch, weinerlich oder überdreht, sondern waren einfach nur glücklich, ihre Heldin umarmen zu dürfen und neben ihr am Klavier sitzen zu dürfen. Lady Gaga schien ebenfalls irgendwie berührt und nahm die beiden kurzerhand beim nächsten Kostümwechsel mit hinter die Bühne. Lady Gaga versteht es eben, wie man seine Fans an sich bindet und schafft immer wieder Momente, die den Fans Anknüpfungspunkte zur Identifikation ermöglichen. Auch wenn Ansagen wie „an alle von euch, die ArtPop lieben: das zeigt mir, dass ihr genauso seid wie ich“ einstudiert waren und jeden Tag wiederholt werden, wirkten sie doch aufrichtig und so, als ob es ihr tatsächlich ein Anliegen wäre, eine Verbindung zwischen sich und den Fans zu schaffen.

Ein Fazit über diesen Abend zu ziehen, fällt mir schwer: es gab viele gute Momente, aber das ständige Auf und Ab zwischen „Super!“ und „Was soll das denn jetzt?“ war doch etwas zu viel. Musikalisch könnte man auch auf einem Avicii-Konzert gewesen sein, die Show mit all ihrer Übertreibung und all dem Kitsch war trotzdem sehenswert. Eine Erkenntnis hinterlässt die Show aber auf jeden Fall: der Hintern scheint das neue Dekolletee weiblicher Popstars zu sein, Hosen oder Röcke sind offenbar zur Zeit ein absolutes No-Go. Nur bei der Zugabe, bei der Lady Gaga aussah wie eine Mischung aus Eisprinzessin und Donatella Versace, trug sie ein Outfit, das ihr Hinterteil bedeckte. Ansonsten sorgte sie lieber mit String-Tangas für maximale Bewegungsfreiheit.

Die Königin ist tot – lang lebe die Königin!

 

Elisabeth Voglsam

Finger weg von meiner Paranoia, die war mir immer lieb und teuer.
Instagram: vogigram