Mit High Performance hat Johanna Moder ihr Langfilmdebüt vorgelegt und bei der Welturaufführung sogleich einen Publikumspreis abgeräumt. Wir haben die Regisseurin und die Hauptdarsteller Manuel Rubey und Marcel Mohab zum Interview getroffen.
“Rudi ist Anzugträger, Daniel fährt Fahrrad. So verschieden die beiden Brüder sind, so interessieren sie sich doch für dieselbe Frau. Aus unterschiedlichen Gründen, wie sich für Nora bald herausstellt. Ein Film mit Tiefgang um Loyalität, Familienbande und Manipulation.” So lautet die Kurzbeschreibung von High Performance, dem Langfilmdebüt von Regisseurin Johanna Moder, mit Marcel Mohab und Manuel Rubey in den Hauptrollen des ungleichen Brüderpaars. Anlässlich des Filmstarts bat fm5 die drei zum Interview über ihren gemeinsamen Film, die Rolle der Frau in der Arbeitswelt und die österreichische Filmindustrie.
FM5: Johanna und Marcel ihr habt das Drehbuch zu High Performance gemeinsam geschrieben. Könnt ihr uns etwas über den Entstehungsprozess des Films, der sechs Jahre dauerte, erzählen?
Johanna: Man kann sagen, dass der Film aus mehreren Versatzstücken entstand. Ich begann damals an meinem Film (Anmerkung: Abschlussfilm für die Filmakademie) zu arbeiten und hab’ unterschiedliche Erlebnisse gehabt, die für mich relevant waren. Gleichzeitig haben Marcel und ich einen depressiven Sommer in Wien erlebt und wir haben sehr intensiv über seine Lebenssituation als Schauspieler gesprochen. Davon ist sehr viel in das Drehbuch und seine Figur (Daniel) eingeflossen. Es war relativ früh klar, dass er diese Hauptrolle übernehmen wird.
Zu Beginn stand also das Leben als Schauspieler im Vordergrund. Wie kam es dann zur Entscheidung die Geschichte mit dem Themenkreis Wirtschaft & Kapitalismus zu verknüpfen?
Johanna: Ich wollte unbedingt einen Film über Wirtschaft machen. Zuvor habe ich bereits einen Kurzfilm gedreht, in dem es um Jugendliche und die Frage, wie sie sich gegen den Kapitalismus zur Wehr setzen, geht. Das ist ein Thema, das mich sehr interessiert.
Für den Film und die Konzeption der Figur der Nora hast du Interviews mit Frauen in Wirtschaftsberufen geführt, um ihre Sehnsüchte und Wünsche herauszufinden. Zu welchem Ergebnis bist du dabei gekommen?
Johanna: Ich wollte herausfinden wie sie ticken. Wenn du dich für so einen Beruf entscheidest und versucht in höhere Managementebenen vorzudringen, stehst du irgendwann unweigerlich vor der Entscheidung Kind oder Karriere. Mein Gefühl war, dass all diese Frauen sich nach Sicherheit, das heißt Familie und Stabilität, sehnen.
Manuel: Ich denke, das trifft aber nicht nur auf Frauen zu. Im menschlichen Zusammenleben geht es im Prinzip immer um das Zusammenspiel von Sicherheit und Freiheit, besonders in Beziehungen. Ich denke das betrifft im Prinzip jeden Menschen. Es gibt vermutlich keinen Menschen, der nicht in der einen oder anderen Weise nach Sicherheit strebt.
Manuel und Marcel ihr spielt im Film ein sehr ungleiches Brüderpaar. Gibt es dennoch Gemeinsamkeiten zwischen euren Filmfiguren?
Marcel: Ihre Gemeinsamkeit ist, dass sie beide nach Erfolg streben. Jeder möchte auf seinem Gebiet, egal ob Wirtschaft oder Schauspiel, erfolgreich sein.
Die Regie ist ebenfalls ein sehr männerdominierter Beruf. Kathryn Bigelow war bisher die erste und einzige Regisseurin, die einen Oscar erhielt. Johanna, welche Erfahrungen hast du als Regisseurin bisher gemacht?
Johanna: Ich finde, da muss man sehr vorsichtig sein, weil man sonst Gefahr läuft, sich in eine Opferrolle zurückzuziehen. Was ich sagen kann, ist, dass es eine wahnsinnig schwierige Entwicklung war. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, wie ich nach außen wirke, weil mir die Selbstvermarktung relativ schwer fällt. Es ging dabei um die Frage, was mir andere zutrauen. Ich hatte das Gefühl, dass Regiekollegen, die ebenfalls ihren ersten Film machten, an mir vorbeizogen, während es bei mir sehr lange dauerte, bis das Projekt überhaupt zustande kam. Ich bin hier sehr zwiegespalten.
Seht ihr Unterschiede in der Zusammenarbeit mit weiblichen & männlichen RegisseurInnen?
Manuel: Dazu eine Aussage zu treffen ist relativ schwierig, da man auch hier aufpassen muss nicht in Klischeefallen zu tappen. Möglicherweise haben Frauen mehr Empathie, deswegen habe ich die Zusammenarbeit mit Johanna sehr genossen. Empathie halte ich in dem Beruf auf allen Ebenen für das allerwichtigste. Auch Schauspieler müssen sehr empathisch sein.
Marcel: Dafür waren einfach alle zu unterschiedlich. Ich hatte furchtbare Zeiten mit weiblichen sowie mit männlichen Regisseuren.
Manuel: Meine schlimmsten Erfahrungen hatte ich eindeutig mit Männern. Das liegt aber sicherlich auch daran, dass ich mit mehr Regisseuren als Regisseurinnen gearbeitet habe. Ansonsten würde ich einfach zwischen gut und schlecht und sympathisch und unsympathisch unterscheiden. Da ist das Geschlecht irrelevant.
Das Plakat zum Film vermittelt den Eindruck, es handelt sich um eine Wohlfühlkomödie. Nachdem ich den Film gesehen hatte, war ich relativ überrascht vom Realismus und insbesondere dem Ende des Films. Spiegelt das Plakat eurer Meinung nach den Film wieder?
Manuel: Beim Lesen des Drehbuchs hätte ich den Film auch nicht als Komödie gesehen. Ich finde, dass viel über die Art, wie man etwas spielt, komödiantisch wird. Bei der Welturaufführung in Saarbrücken wurde sehr viel gelacht und das hat mich total gefreut. Ich glaube es gibt in Österreich noch keine bürgerliche Komödie und dieser Film schlägt hier die erste Kerbe. Im französischen Film gibt es meiner Meinung nach vergleichbare Komödien.
Johanna: Es hat auch sehr viel damit zu tun, dass es für die Vermarktung notwendig ist, einen Film unter einem Genre zu bewerben. Das war auch immer wieder ein Thema. Marcel: Wir haben auch immer gesagt, es handelt sich am ehesten um eine Tragikomödie oder Tragödie.
Manuel: Es stimmt, das Plakat ist nicht der Film, aber gleichzeitig ist es sehr catchy. Es ist mir lieber, man bringt ein paar Leute mit diesem Plakat in den Film, als man hat ein Plakat, das total stimmig ist, aber niemandem auffällt.
Rund um die Verleihung der Amadeus Awards sind aufgrund des Rückzugs einiger Nominierten (HVOB, Naked Lunch) Diskussionen entstanden. Was müsste passieren, damit ihr eine Nominierung für einen Filmpreis ablehnt?
Johanna: Im Film gibt es nichts Vergleichbares, bei dem ich sagen würde, das würde ich zurückziehen.
Wie seht ihr die Strukturen in der österreichischen Filmwirtschaft, auch im Vergleich zur Musikindustrie - hat sich hier in den vergangenen Jahren etwas zum Positiven verändert?
Manuel: Es ist eine Katastrophe wie wenig Kinopublikum der österreichische Film hat. Das soll jetzt nicht heißen, dass man sich anbiedert, aber das kann man einfach nicht akzeptieren. In Deutschland und der Schweiz haben die dort produzierten Filme einen weit höheren Anteil am Gesamtpublikum. Man muss hier nach Strategien suchen wie man die Menschen wieder ins Kino bringen kann. Sonst muss man die Filme gleich gar nicht machen. Es kann nicht das Ziel sein, dass man sagt man fährt mit dem Film zu irgendeinem Festival und damit ist alles gut. Ich hab’ leider auch noch kein Rezept, aber man muss hier über neue Modelle nachdenken.
Johanna: Das Thema des Geldes ist auch ein sehr großes Fragezeichen. Sehr viele Filme haben so eine lange Entstehungsgeschichte, weil man ständig um das Geld kämpfen muss. Ich weiß im Moment nicht wie viele Filme pro Jahr gefördert werden, aber der Anteil ist nicht sehr hoch. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es immer mehr interessante Projekte gibt, die es verdienen würden, unterstützt zu werden.
Wie beurteilt ihr die Situation im Vergleich zu Deutschland?
Manuel: Das ist ein Thema, das mich seit Jahren beschäftigt. Es wäre alles so viel einfacher, wenn wir die Position die wir hier haben in Deutschland hätten. Dann könnte man richtig frei arbeiten. Gleichzeitig ist der deutsche Markt an dem österreichischen nicht interessiert. Und das auch völlig zurecht. Ein Film müsste so großartig sein, damit die Deutschen beginnen sich für ihn zu interessieren.
Das impliziert, dass österreichische Filme schlechter sind als deutsche und deswegen ignoriert werden?
Johanna: Ich denke das hängt mit der Sprache und dem Humor zusammen. Interessant war auch, dass der Festivalleiter in Saarbrücken zu uns kam und meinte, in Deutschland werden keine Filme wie High Performance gedreht. Nach seinem Empfinden machen die Österreicher die tollen, künstlerischen Filme.
Marcel: Ja, aber der ist auch ein Filmliebhaber und die finden österreichische Produktionen immer toll. Es gibt in Deutschland einfach keinen Haneke und keinen Seidel. Aber Menschen wie er sind eben eine Minderheit und seine Meinung zum österreichischen Film sagt nichts über die des deutschen Kinopublikums aus.
High Performance hatte bei der Diagonale seine Österreich Premiere. Was erwartet und wünscht ihr euch für den Film?
Manuel: Ich traue dem Film zu, dass es so eine Mundpropagandageschichte wird und er sich so in das Bewusstsein hineinschleicht. Das fände ich schön.
Vielen Dank für das Interview!
High Performance: Mandarinen lügen nicht
4. Mai 2014
Kino
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