Der erste Tag des FM4 Frequency brachte Regen, Anreisestrapazen und souverän agierende Hit-Lieferanten. Ein Abend von Conor Oberst bis Macklemore & Ryan Lewis, zwischen Regenponchos und Pikachu-Kostümen. Frequency 2014: läuft!
Anreisetag, das bedeutet traditionell Ausnahmezustand. Schon in den frühen Morgenstunden reisten die ersten Besucher des diesjährigen FM4 Frequency an, die bei der Auswahl der Heimatgegend für die nächsten vier Tage nichts dem Zufall überlassen wollten. Alt und jung, spektakulär verkleidet oder praktikabel wettergerüstet, schwer beladen oder asketisch unterwegs - die unterschiedlichsten Arten von Festivalgehern fanden sich schließlich an der Bändchenausgabe zu jener heterogenen Mischung vereint, die den Erfolg eines solchen Wochenendes letztendlich ausmacht. Und Zeit, sich gegenseitig kennen zu lernen, gab es beim Warten allemal: der geballte Ansturm am Eröffnungstag verursachte an den Eingängen leicht chaotische Zustände, Nieselregen und Wind sorgten weniger für angenehme Freiluft-Erlebnisse als vielmehr für gatschige Wege bereits am ersten Tag.
Die Bands wiederum hatten mit dem Wetter kaum Probleme und vertrieben allfällige Zweifel des Publikums, ob sich die Anreise bereits zum ersten Programmtag denn auszahlen sollte, recht schnell. Eine kurzfristige Absage der Senkrechtstarterin Chlöe Howl wegen Anreiseproblemen verschaffte der österreichischen Band Olympique den Eröffnungs-Slot auf der Hauptbühne, den diese mit erfrischend konsequentem Indie-Rock durchaus zu nutzen wusste. Eine etwas andere Schiene fuhr bald darauf Conor Oberst, Mastermind der Americana-Band Bright Eyes und auch auf Solopfaden durchaus erfolgreich. Bestens gelaunt und umtriebig präsentierte sich der US-Amerikaner auf der riesigen Bühne, die heuer dem Namen "Space Stage" entsprechend erstmals mit Ufos, Aliens und Himmelskörpern designt worden war. Schade nur, dass sich bestenfalls einige Hundert zu diesem Zeitpunkt bereits vor der Bühne eingefunden hatten - sie zumindest sahen ein von der zitternden, in den Bann ziehenden Stimme Obersts und der melodiösen Traurigkeit der Songs getragenes Konzert, das den nicht optimalen Umständen zum Trotz ein sehr gelungenes und vorrangig mit musikalischen Qualitäten, denn mit Show-Einlagen, überzeugendes wurde.
Mit formidablen Deutsch-Kenntnissen und eingängig-kräftigem Prog-Rock wussten dann auch Biffy Clyro zu überzeugen, die Empathie bewiesen und sich mit dem Publikum solidarisierten: "Auch in Schottland regnet es immer." Dass dem Frequency erstmals seit seinem Umzug nach St. Pölten kein Wetterglück beschieden war, vermochte aber auch kaum einem die Laune zuvermiesen. Eine gute Stunde lang werkten sich die bärbeißigen Schotten durch ihr beeindruckendes Gesamtwerk von sechs mit richtigen Krachern gespickten Alben zwischen Grunge, Progressive und Alternative Rock und bewiesen oberkörperfrei im Regen stehend eine gewisse Festival-Abhärtung und ein unverkennbares Faible für große Tatoos. Und ganz nebenbei auch, warum man sie aufs Frequency geholt hat: man muss das Rad nicht neu erfinden, um eine hervorragende Live-Band zu sein.
Eines der größten Rätsel des ersten Tages dürfte indes die Aussprache der Herkunft Band Bastille gewesen sein, in Gesprächen vor der Bühne ließen sich da einige Varianten heraushören. Die Band löste das Mysterium schließlich selbst: "Hello, we are Bastille" - mit Doppel-L und ohne französischen Akzent. Die Londoner Band, letztes Jahr auf breiter Front berühmt geworden durch ihre Stilmix-Hitsingle "Of the night" ließ sich zu keinem Zeitpunkt lumpen und erfüllten die Erwartungen der bereits zahlreich erschienen Fans mühelos. "Pompeii" und "Of the night" gerieten zu ausgelassenen Tanzorgien, leicht bekömmliche Pop/Synthie-Flächen ergaben in Kombination mit "ey oh, ey oh"-Refrains und der ausdauernd betriebenen Animation des Publikums ein nettes, unterhaltsames und bewegungsintensives Konzert im einsetzenden Nieselregen. Das Publikum nahm es gelassen und streifte sich Ö3-Regenponchos über.
So künstlerisch solide und entertaining Bastille den Co-Head gegeben haben mögen, unbestrittenes Hightlight des Mittwochs sollte aber das US-amerikanische Duo Macklemore & Ryan Lewis werden, das mit hitgetrimmten Pop-Rap, aber auch einer gewissen Selbstironie sehr schnell eine ganz große Nummer geworden ist. Die Spielzeit von eineinhalb Stunden dürfte Macklemore allerdings vor Probleme gestellt haben, zwischen jedem der einzelnen Songs versuchte er sich an animierenden Einlagen und verhedderte sich dabei in langen, aber etwas inhaltsarmen Ansagen. Die geballte Wucht der energisch vorgetragenen Hits wechselte sich so mit etwas beliebigen und vorgekauten Botschaften ("Do what you want to do and do it from your heart") und Showbusiness-genormten Anbiederungen ans Publikum ("Austriaaaaaaaaaa, so many beautiful people") ab, unterm Strich standen aber auch eine üppige Show mit pompöser Inszenierung und zuverlässigen Ausraster-Hits. Da machte es auch nichts, wenn Songs zweimal gespielt wurden. Dass das Anreisechaos nicht zuletzt auch dem Umstand geschuldet war, dass niemand sich Macklemore & Ryan Lewis entgehen lassen wollte, war zu jedem Zeitpunkt klar. Schwer motiviert ging es sowohl auf, als auch vor der Bühne zu. "This is fucking awesome", dürfte wohl als kollektives Resümee der geschätzt 30.000 durchgehen. Auch die geschwenkte Österreich-Fahne wurde frenetisch beklatscht, während auf der Leinwand in der Zwischenzeit die italienische Tricolore flimmerte, so ganz recht weiß man halt eben nicht, woran man bei diesem Duo ist. Bisweilen herrlich ironisch die Rap-Klischees überzeichnend und gängige Muster infragestellend, starke Lines und Beats auf die Meute loslassend, dann wieder Standup-Predigten ohne Belang und Eigenständigkeit, sowie eine etwas nervige Schmeichlerei und "Austria"-Fixierung - ambivalent ist wohl das richtige Wort. Zuletzt bleibt wohl die Erkenntnis, dass M&RL sich durchaus und nicht zu knapp jener Pop-Klischees bedienen, die sie bisweilen selbst auf die Schippe nehmen und es dann auch oft ausreicht das Wort "Schwarzenegger" in die Menge zu rufen, um sich der Zuneigung und der Austauschbarkeit des Publikums zu vergewissern. Trennt man all dies jedoch von einer musikalisch sehr, sehr konsistenten und fetten Show, darf man durchaus zufrieden sein. Temporärer Starkregen flaute schließlich ab, er dürfte an diesem Abend wohl die größte Herausforderung gewesen sein.