Damen-Skisprung am aufsteigenden Ast

Am 6. und 7. Feber 2016 sind im oberösterreichischen Hinzenbach 2 Damen-Weltcup-Springen über die Bühnen gegangen. Hinzenbach war zum 4. Mal Damen-Weltcup-Austragungsort und mausert sich langsam aber sicher zu einem Traditions-Bewerb.

Tradition hat Damenskispringen – zumindest auf Weltcup-Ebene – noch relativ wenig. Im Profi-Bereich ist diese Sportart noch jünger als die Athletinnen. Aber auch wenn es immer noch viele junge Athletinnen gibt, allen voran die 19-jährige japanische Überfliegerin Sara Takanashi, so ist Damen-Skispringen nicht mehr ganz so jung, wie noch vor einigen Jahren, als viele Spitzenspringerinnen Teenager waren.

Das Hinzenbach-Wochenende

Die Veranstaltung war ebenso spannend wie professionell organisiert. Die Dimensionen in Hinzenbach sind zwar wesentlich kleiner als bei Traditions-Events der Herren, wie der Vierschanze-Tournee oder dem Skifliegen am Kulm, doch genau das machte die Atmosphäre wirklich sehr familiär und gemütlich. Und die dar gebotenen, sportlichen Leistungen waren beachtlich.

Beide Hinzenbach-Springen hat Saison-Dominatorin Sara Takanashi vor dem österreichischen Skisprung-Evergreen Daniela Iraschko-Stolz gewonnen. Die 3. Plätze haben am Samstag die Norwegerin Maren Lundby und am Sonntag die Österreicherin Jacqueline Seifriedsberger errungen.
Überhaupt waren beide Bewerbe sehr spannend und haben auch einige überraschende Ergebnisse gebracht. Dass die Österreicherinnen sich bei ihrem Heimbewerb generell gut geschlagen haben – neben den Podiumsplätzen hat es auch die 18-jährige Chiara Hölzl zweimal in die Top-Ten geschafft – hat der Stimmung vor Ort natürlich zusätzlich gut getan.

Eine gewaltige Entwicklung

Damen-Skispringen ist lange belächelt worden und hat auch heute noch sogar bei manchen Sport-Fachmedien einen geringen Stellenwert. Ich halte das für eine ungerechtfertigte Einschätzung, da sich dieser Sport gewaltig entwickelt hat. Die Leistungsdichte ist heute viel höher als noch vor einigen Jahren. Kleine Fehler kosten meistens schon mehrere Positionen im Klassement. Und während sich noch vor rund 10 Jahren wenige Springerinnen die Plätze am Podest unter sich ausgemacht haben, so gibt es in dieser Saison an die 15 Athletinnen, die für einen Podiumsplatz gut sind.

Absolute Spitzenspringerinnen, allen voran Sara Takanashi, springen schon so gut, dass sie – wenn auch mit etwas mehr Anlauf und damit höherer Geschwindigkeit – sogar Schanzenrekorde der Herren knacken können.

Dazu kommt noch ein ebenso stark ausgeprägter Sportsgeist wie bei den Männern: Obwohl selbst als „Rennpferd“ richtig hungrig auf den Sieg so findet dann auch die zweitplatzierte Daniela Iraschko-Stolz höchst lobende Wort für ihre japanische Konkurrentin: Sara Takanashi springe auf einem sehr hohen Niveau und verdiene sich den Sieg – auch wenn sie natürlich nicht unschlagbar sei. Da aus PR-Gründen „Bad News“ oft „Good News“ sind, mag so eine Einstellung kurzfristige Aufmerksamkeit für diesen Sport verhindern. Langfristig könnte das aber für noch mehr Popularität sorgen.

Fazit

Ich bin überhaupt kein Freund von Geschlechter-Konflikten. Und im Spitzen-Sport regelt sich ohnehin fast alles von selbst durch Leistung. Das Leistungsniveau der Frauen ist heute ganz einfach schon richtig hoch, wenn auch noch nicht so hoch wie das der Männer. Angesichts der Tatsache, dass es bei den Herren schon seit 1979 einen Weltcup gibt und bei den Damen erst seit 2011 ist das aber völlig logisch. Das Entwicklungs-Tempo bei den Damen ist jedenfalls ziemlich beeindruckend, das Professionalitäts-Niveau schon heute auf hohem Niveau und weiter steigend.

Und genauso wie bei den männlichen, so finden Skisprungs-Fans auch bei den weiblichen Athleten verschiedene Sprungstile und auch individuelle Marotten – worüber man beeindruckt sein und man schmunzeln kann.
Damen-Skispringen ist jedenfalls schon richtig erwachsen geworden. Ich finde es spannend und kurzweilig anzusehen. Deshalb hat das weibliche Geschlecht es sich in meinen Augen durch Leistung verdient, öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Und für alle, die das „Experiment“ wagen und ein Damen-Weltcup-Skispringen live erleben möchten, gibt es in Hinzenbach alljährlich eine ausgezeichnete Gelegenheit dafür.

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Ulrich Lintl (Twitter)

FM5 Redaktion