"Wir wollen die Hörer herausfordern!"

Vor ihrem Wien-Konzert trafen wir You Me At Six Gitarrist Max Helyer zum Interview und sprachen mit ihm über ihr neues Album "Night People", ihre Ticketpetition, den Brexit und Fußball.

Bevor You Me At Six am 17.03 ein umjubeltes Konzert in der Arena spielten, hieß es für uns ab in den Backstage-Raum um Gitarrist Max Helyer ein paar Fragen zu stellen. Dort angekommen, machten wir es uns auf der Couch gemütlich, die uns der freundliche Tourmanager anbot. Gute fünf Minuten später betrat der Musiker -ein entspannter junger Mann Mitte 20- das Zimmer und begrüßte uns höflich. Obwohl die Band in ihrer Heimat große Hallen füllt, zeigte er sich total bodenständig. Er setzte sich uns gegenüber und wir konnten mit dem Interview beginnen.


fm5: Als Eisbrecher haben wir uns etwas Bestimmtes überlegt. Wir hörten, dass deine Bandkollegen und du Fußballfans seid und gerne FIFA spielt.
Max Helyer (Gitarre):
(begeistert) Ja genau!
Also wie du vielleicht weißt, ist die Leistung von manchen Spielern in der österreichischen Nationalmannschaft nicht immer so gut. Deshalb bewundern sicher einige hier im Land Spieler aus deiner Heimat. Angenommen du hättest die Verantwortung, welchen Spieler aus England oder Großbritannien würdest du unserer Elf zur Hilfe schicken?
(Augen leuchten auf)
Kann ich jeden wählen? Muss es ein guter Spieler sein oder kann ich einen nehmen den ich gerne loswerden möchte?
Es ist deine Wahl. Tormann Joe Hart -in seiner EM 2016 Form- musst du uns nicht unbedingt zuschustern. Das österreichische Team hat schon genug Probleme.
(lacht)
Max: Uhh da kennt sich wer aus.
(überlegt)
Ihr braucht keinen Verteidiger, denn David Alaba ist da. Eher einen Mittelfeldspieler. Jordan Henderson kann ich euch nicht geben, denn er ist verletzt. Ihr wollt wahrscheinlich jemand wie Erik Dier.
Ja klar! Dann könnte Alaba vielleicht mal seine Position vom FC Bayern München spielen. Nichtsdestotrotz sind wir schon mit einem Spieler wie Wayne Rooney zufrieden, jemand der passen kann...
Stephie, ich weiß nicht. Rooney ist jetzt schon ein bisschen älter. Er hat keine Jugend mehr in sich und Dier wiederum spielt bei Tottenham (Tottenham Hotspur). Wir sind Arsenal Fans (FC Aresenal), also gebe ich euch sicher keine Spieler von Tottenham.
(Gelächter)


So das reicht jetzt an Fußball. Lass uns über euer fünftes Album Night People sprechen, dass im Januar veröffentlicht wurde. Euer Sänger Josh Franceschi sagte in einem Interview, dass er einen kleinen Schubs brauchte, bevor er sich sicher war, dass er mit Musik weitermachen wollte. Wie gingt ihr an die Arbeit heran?
Wir wollten keinen zeitlichen Rahmen bei dieser Platte. Wie du bereits sagtest, es ist unser fünftes Album in ungefähr 10 Jahren. Unserer erster Release war 2008 (Take Off Your Colours). Über die Jahre veränderten wir uns, wurden erwachsener und hören andere Musik.
Als wir jetzt wieder anfingen, versuchten wir etwas von diesen Einflüssen in unseren Sound einzubinden. Allerdings nicht zu viel, damit es das Publikum nicht verwirrte. Für diese CD schrieben wir um die 50 Songs und schränkten diese dann auf circa 20 ein. Das half uns zu definieren in welche Richtung es mit Night People gehen sollte. Um ehrlich zu sein, einige der wichtigsten Songs auf der Platte entstanden erst gegen Schluss der Aufnahmen. Wir hatten drei Wochen im Februar und dann den ganzen Mai. Die freie Zeit im März und April half uns sehr, um uns klar zu werden, was wir auf der Platte brauchten. Es gab acht Tracks und wir dachten uns, dass wir etwas Ermutigendes und Schnelles brauchen. Und so entstanden Lieder wie "Brand New" und "Plus One" in den letzten Stunden. Selbst am Song "Take On The World" konstruierten wir noch weiter und fügten neue Teile hinzu, weil wir der Meinung waren, dass das Lied noch etwas brauchte. Ich denke aus der Sicht eines Musikers, arbeitest du immer an Musik, wenn du weißt, dass du kein Zeitlimit hast. Uns war klar, wenn wir unsere letzte Aufnahmesession im Mai haben, dass wir danach nichts machen können.

Welche Jobs hättet ihr gewählt, wenn eure Musikkarriere mit You Me At Six zu einem Ende gekommen wäre?
Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Wir haben alle eine beträchtliche Leidenschaft für Musik. Wenn ich nicht mehr in einer Band spielen würde, könnte ich  mir vorstellen Songwriting für andere Künstler zu betreiben oder als Produzent tätig zu sein. Eine andere Option wäre in die Musikindustrie zu gehen und als A&R oder als Radio DJ arbeiten. Es gibt einige Bereiche, die wir in der Branche machen könnten.

Genauere Gedanken darüber musstest du dir zum Glück nicht machen, denn schlussendlich entschiedet ihr euch mit dem berühmten Produzenten Jacquire King ins Studio zu gehen. Kannst du uns ein bisschen über eure Zusammenarbeit mit ihm in Nashville erzählen?
Wir wollten immer schon mal mit Jacquire King arbeiten. Er ist ein Grammy Award Gewinner und zeigt sich für einige unserer Lieblingsalben verantwortlich. Kings Of Leons' Only By Night war eines das dazu führte, dass wir mit ihm arbeiten wollten. Die Zeit in Nashville war anders. Die vorigen Alben Cavalier Youth und Sinners Never Sleep nahmen wir in Kalifornien auf, wo es viel mehr Ablenkung gab. Wir waren jünger und nicht in Gänze auf das Album fokussiert, sondern wollten ebenso gerne ausgehen, feiern und Spaß haben. Nashville hingegen, ist ein geradezu Musik-orientierter Platz. Wir involvierten uns sechs Tage die Woche sehr im Studio und arbeiten von 11:00 bis 21:00 Uhr. Also 12 Stunden am Tag. Bei Night People zielten wir darauf ab noch viel mehr in die Kreation eingebunden zu werden.

Ihr nahmt außerdem einige Dinge in Dans (Dan Flint, YMAS Drummer) für Night People auf.  Wollt ihr zukünftige You Me At Six Alben selbst produzieren oder gibt es noch andere Produzenten mit denen ihr arbeiten möchtet?
Der Schreibprozess fand viel in Dans Studio statt und formte das Fundament dieser Platte. Ich denke von jetzt an benutzen wir Dans Studio um zu schreiben und Demos von uns aufzunehmen. Vielleicht gibt es einen Zeitpunkt in der Zukunft, an dem wir unser Album selbst produzieren. Dennoch finde ich, dass es gut ist, wenn ein Außenstehender deine Musik hört. Als Band ist man sich mal einig, beim nächsten Teil wieder nicht und es wären nur wir Fünf. Man versteift sich dann auf Dinge, weil man daran hängt. Manchmal ist es da ganz gut einen Produzenten zu haben, der frischen Wind bringt, Vorschläge macht und genauso auch mal sagt, dass etwas so nicht funktioniert. Eine unvoreingenommene Meinung zu den Songs kann hilfreich sein.

Es gibt viele Produzenten mit denen wir gerne arbeiten würden und die sich für einige unserer Lieblingsalben verantwortlich zeigen. Flood (bürgerlich Mark Ellis) oder Alan Moulder zum Beispiel. Produzenten gibt es genug, allerdings ist es uns wichtig mit ihm auf einer Wellenlänge zu sein. Das war eines der großartigen Dinge an Jacquire, denn wir haben uns von Beginn an verstanden. Es war eine spaßige Zeit mit Jacquire und seinem Team dieses Album zu machen. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste, dass dieses gegenseitige Verständnis da ist, alle die Songs gut finden und zusammen noch besser machen wollen. Wir glaubten an die Lieder und da ist es natürlich schön eine Person zu haben, die das Gleiche tut und sich mit dir auf diese neue Reise begibt. Du gehst mit offenen Ohren ins Studio und hörst dir an, was alle anderen zu sagen haben. Immerhin hat der Produzent meist einiges an Erfahrung, kann die Sounds hören und versucht zu sehen, was das Vorhaben ist.

Bei diesem Album gingen wir auch zu unseren alten Produzenten, die die Songs nicht mochten. Deswegen fanden wir es sinnlos mit wem  zu arbeiten, der nicht mit vollem Herzen dabei ist.
Es ist wirklich nichts gegen die alten Produzenten!
Das war eben nichts für sie, dafür aber für Jacquire.

Kannst du uns eine Story über einen eurer Songs auf Night People erzählen, die die Leute noch nicht wissen?
(überlegt)
Bei "Spell It Out" beschritten wir beim Songschreiben einen neuen Weg. 
Unser Ansatz war, dass wir uns vorstellten, dass es ein Track für einen Film oder eine TV-Show ist. Josh (Franceschi) nannte zum Beispiel Game Of Thrones, jedoch könnte es für alles Mögliche sein. Etwas mit Action, denn etwas Dramatisches baut sich in diesem Lied auf. So wie bei einem James Bond Film oder ähnlichem. Die Idee für das Lied kam übrigens von einem Intro, welches wir auf einer Tour verwendeten, bevor wir in den eigentlichen Song "Room To Breathe" übergingen. Wir mochten das Intro von damals so sehr, dass nun "Spell It Out" daraus wurde. 

Gibt es etwas auf eurer CD was ihr im Nachhinein ändern würdet?
Um ehrlich zu sein, denke ich, dass ich nichts ändern würde. Wenn du ein Album machst und es ist fertig, dann ist es abgeschlossen. Als Musiker willst du immer Dinge zu ändern, trotzdem musst du es mal gut sein lassen. Wir versuchen nach vorne zu schauen und nicht zurück. Das waren wir zu diesem Zeitpunkt und wir probieren uns immer weiterzuentwickeln, zu wachsen und uns selbst als Musiker zu fordern, um nicht immer das gleiche Album zu schreiben.
Stimmt. Weiterentwicklung ist wichtig...
Ich denke Leute lassen Acts zurück, die immer wieder das Gleiche machen.
Genau, weil es langweilig wird...
Exakt! Wir wollen die Hörer herausfordern! Sie sollen umgehauen werden in ihren Erwartungen. Es ist nicht immer das, was du dir von der Band erwartet hast und es gibt auch Leute die es nicht verstehen, oder zumindest nicht am Anfang. Vielleicht ergibt es für sie dann in zwei Jahren einen Sinn. Das ist das Schöne an Musik, es kann nichts falsch sein. Es kommt nur darauf an, zu welchem Zeitpunkt du auf sie triffst.
Außerdem kann man von keinem Menschen erwarten, dass er immer noch der Gleiche wie vor 10 Jahren ist…
Richtig! Ich mag zum Beispiel viel ältere Gitarrenmusik wie The Beatles, The Who und The Rolling Stones und die haben dem Hörer auch immer etwas Neues geboten.

Das Konzept rund um Night People ist überhaupt sehr künstlerisch angelegt. Wie war eure Vorgehensweise?
"Night People" war einer der ersten Songs, die wir schrieben. Der Titel blieb irgendwie bei uns hängen und wir haben damit auch einen Ausbruch aus der Schublade unternommen. Wir überlegten uns, wie es wäre, wenn man einen Job von 09:00-17:00 Uhr hat und nur für das Wochenende lebt. Danach dachten wir nach, wie wir diese Thematik am besten visuell umsetzen und einarbeiten können.
Dinge wie ein Logo zu dem die Leute eine Verbindung aufbauen und sich identifizieren können. Früher hatten das VI -die römische Zahl 6- allerdings war das nicht wirklich ein Logo. Ich finde das neue Logo kann mit unserer Band bestehen und ich bin gespannt wie sich das weiterentwickelt.


Kommen wir nun zu etwas Politischem. Ihr habt eine Petition gegen den Secondary Ticket Market gestartet, Josh (Franceschi, Gesang) stellte sich sogar selbst in ein Geschäft und verkaufte direkt an die Fans die Konzerttickets und ging ins Parlament. Zuerst blieben viele andere Musiker zu dem Thema still. Mittlerweile sprachen sich Stars wie Adele und Ed Sheeran gegen diesen Markt aus. Habt ihr mittlerweile eine Veränderung oder eine Verbesserung bemerkt?
Ja! Circa vor vier Tagen wurde es in Großbritannien illegal. Josh tat es, weil wir uns für unsere Fans stark machen wollten. Ich denke es ist auch der Grund warum Adele und Ed Sheeran sich zu Wort meldeten, da es ihre Fans genauso betraf. Für uns ist es wichtig die Fans darauf aufmerksam zu machen, Acht zu geben, wo sie ihre Tickets kaufen und sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Unser Ziel ist es die Fans zu unterstützen und ihnen zu zeigen, dass wir für sie da sind. Ich glaube ein Wandel findet nun statt. Die Industrie in der wir leben verändert sich sehr stark und schnell. Du kaufst kein Album mehr sondern streamst es. Aber die Streaming Zahlen sind 1500 zu einem verkauften Album. In manchen Bereichen gibt es also noch einiges an Klärung. Man sieht ja auch immer mehr Konzertveranstaltungen verschwinden.
Gibt es andere Projekte oder Kampagnen für die ihr euch gerne einsetzen möchtet?
Das ist schwer zu sagen. Im Moment nicht. Die Sache mit dem Ticket-Markt kam auf und es fühlte sich für uns richtig an. Wenn Zeit und Ort gerade passen und wir finden, dass wir etwas zu Veränderung beitragen können, dann versuchen wir uns zu involvieren.

Spürt ihr als junge und ambitionierte Band die Auswirkungen des Brexits und glaubt ihr, dass es in Zukunft schwieriger wird?
Wahrscheinlich ist es zu früh um darauf eine Antwort zu geben und es wird sich erst so richtig zeigen. Ich vermute, dass es in punkto Touring schwerer werden wird , vor allem wenn du eine kleinere Band bist. Möglicherweise erhöhen sich Kosten und es wird schwieriger für sie herumzukommen. Das ist ein Jammer! Vielleicht beeinflusst es nicht so sehr das Tun der großen Bands, aber es wird die Musikindustrie sicher betreffen.

So das war's. Danke für deine Zeit und das Interview. Wir wünschen deinen Bandkollegen dir ein gutes Konzert heute Abend!
Gern geschehen und vielen Dank!

Mitarbeit als Interviewerin:
Neli Bounzina - fm5 Redakteurin
Julia Wagner - fm5 Redakteurin

Stephanie Ambros