Nachtmenschen

Am 17. März kamen You Me At Six endlich nach Wien und begeisterten die Fans mit Hits der neuen CD und Klassikern aus ihren Poppunk-Tagen. Alles über den Auftritt - inklusive kompletter Setliste, von wem Josh Besuch bekam und die Vorband The Xcerts fand fm5 für euch heraus.

Lange hat es gedauert, doch 2017 haben es You Me At Six endlich zu ihrer ersten Headline Show nach Wien geschafft, denn ihr Auftritt am Frequency Festival 2014 in den Nachmittagsstunden war bisher ihr einziger Gig in Österreich. Die Arena war zwar nicht ganz voll, nichtsdestotrotz hatte sich eine anschauliche Menge vor der Bühne versammelt und freute sich auf die fünf Mitzwanziger aus England. Einigen ist die Gruppe noch aus jenen Tagen bekannt, als Bands wie
All Time Low, Kids In Glass Houses und Co wie Schwammerl aus dem Boden schossen. Mittlerweile ist der Sound nicht mehr nur in die typische Pop Punk- und Emo-Schiene einzuordnen, sondern liebäugelt auch mit anderen Genres. Der Erfolg über die Jahre, vor allem in ihrer Heimat Großbritannien, bestätigt das.

Keine Unbekannten

Bevor es soweit war, bestritt erst einmal das schottische Trio The Xcerts das Vorprogramm. Beim ersten Lied der Band - die sich in Aberdeen gründete- "I'm Losing You" vernahm man nur verhaltenes Nicken und vor allem Beobachten im Publikum. Irgendwas an dem Alternative Rock mit popigen Elementen dürfte dem Publikum trotzdem getaugt haben. Im Nu erspielten sich Murray MacLeod (Gesang und Gitarre), Jordan Smith (Bass) und Tom Heron (Schlagzeug) ihre Berechtigung hier sein zu dürfen. Gleich bei der zweiten Nummer "I Dont Care" kam Schwung in die Bude und die ersten begannen bereitwillig sich zu bewegen. „Is everyone feeling okay?“, erkundigte sich der Frontmann nach der Bandvorstellung mit seinem herzigen schottischen Akzent. Die Zuschauer bejahten das heftig und im Verlauf der Performance erklärte er ihnen, warum man  von ihnen in letzter Zeit nicht so viel hörte. Die Gruppe arbeitete nämlich an ihrer mittlerweile vierten CD. In der Discografie befinden sich bis jetzt In The Cold Wind We Smile (2009), Scatterbrain (2010) und There Is Only You (2014) und ein paar EPs. Der Frontmann und der Bassist gründeten The Xcerts schon in ihrer Schulzeit, allerdings mit einem anderen Drummer. Ihr jetziges Bandmitglied Tom kam in MacLeods Collegezeit dazu und ist so auch schon einige Jahre bei der Truppe. Das langjährige Zusammenspiel und die gesammelte Erfahrung merkte man dem Set der drei Musiker an. Die Menge bezogen sie natürlich ebenfalls mit ein. Bei "Slackerpop" sangen alle fleißig die zuvor gelernte Textzeile „I‘ll be your man, I‘ll be your mannequin“ mit. Einem Mädchen in den vorderen Reihen gratulierten sie sogar zum Geburtstag. Nur mit einer gesungenen Version davon konnten sie aufgrund des engen Zeitplans nicht dienen, widmeten besagter Lea aber den nächsten Song. Die rotzigen Gitarren und das treibende Schlagzeug schraubten sie nur bei der Ballade "There Is Only You" zurück. Bei der mit Keyboard untermalten Melodie gab es Lichtermeer von Handy-Taschenlampen. Erst gegen Ende des Liedes durften die Instrumente nochmals richtig laut werden. Ein schöner Abschluss mit einem ordentlicher Anheizer, der Stimmung für den Hauptact schürte.

Rockende Nachtmenschen

Pünktlich um 21:00 Uhr begann das Intro für You Me At Six und ihre Night People-Tour, davor erspähte man schon das dazu passende Logo auf der Base Drum von Dan Flint. Unter tosenden Jubel sprintete das Quintett auf die Bühne und ein paar weiblichen Fans entfuhren einige Töne in hohen Frequenzen.
Passend zum Namen der Tour eröffneten Josh Franceschi (Gesang), Chris Miller (Gitarre), Matt Barnes (Bass/ Backing vocals) , Max Helyer (Gitarre) und Dan Flint (Schlagzeug) mit dem gleichnamigen Song ihren ersten Gig in Wien. Die eingängige Basslinie brachte bereits nach den ersten Takten Bewegung in die Große Halle der Arena. Franceschi -  einschließlich einer Lederjacke ganz in Schwarz – hätte sich an diesem Abend nicht mehr allzu viel anstrengen müssen, denn die Menge fraß dem Mann mit seiner unglaublichen Bühnenpräsenz sofort aus der Hand. Der Sänger ließ trotzdem das ganze Set über nicht nach und stahl seinen Bandkollegen somit ein bisschen die Show. Zwar wechselten die Gitarristen nicht die Seiten, wirbelten allerdings nicht minder herum. Als zweites Lied stand das bei den Fans beliebte Lied "Underdog" vom zweiten Album "Hold Me Down" auf der Liste. Textsicher brüllte die Menge die Zeilen mit und setze das auch beim rockigen "Loverboy" (auf der dritten Platte Sinners Never Sleep zu finden) fort. Nach dem Gitarrensolo dieser Nummer rief Josh begeistert  „Chris Miller on guitar!“ ins Mirko und der präzise spielende Gitarrist, der im Gegensatz zu seinem Kollegen Max Heyler ein wenig schüchterner wirkte, taute langsam auf. Bevor sie "Stay With Me" spielten, begrüßte der Frontmann die Zuschauer und erklärte, dass dies ihre erste Headline Show hier sei. Die Freude hier zu sein, merkte man ihnen an, selbst wenn die meisten Zwischenansagen ein wenig einstudiert wirkten. Erst als von vorne ein Zwischenruf kam und er diesen akustisch nicht verstand, merkte man, dass nicht alles komplett durchgeplant war. Der Brite bat in leichter Verzweiflung dann schon um eine Übersetzung, weil er sich nicht einmal sicher war, ob es auf Englisch war. Der besagte Satz entpuppte sich im Endeffekt zwar nur als ein „You are awesome“, sorgte aber für Lacher bei Band und Besuchern.

Hitzeresistent für den zusätzlichen Coolnessfaktor

Gängigen Aufforderungen wie „Hands up“ und „Jump, jump, jump“ leistete das Publikum nur zu gerne Folge und ging auch in die Knie um dann auf Kommando in die Höhe zu springen.
Franceschi lief munter auf der Bühne auf und ab und man fragte sich, ob er aufgrund der ausgiebigen Bewegung und der Lichtshow nicht schön langsam in seiner Lederjacke schmelzen würde. Wir dürfen an dieser Stelle verraten, dass er diese tapfer die ganzen 90 Minuten anbehielt. Bei Liedern wie "Bite My Tongue", "Fresh Start Fever" und "Spell It Out" trieb er außerdem seine markante Stimme zum Äußern. Letzteres ist auf dem ersten Blick vielleicht nicht der typische You Me At Six Track, allerdings der beste Beweis für das Erwachsenwerden der Band. Wie auf der CD steigerte sich nach dem ruhigen Beginn das Lied zu einem wahrlichen Ausbruch, der live noch imposanter wirkte. Die Gitarren und das Schlagzeug fuhren wie ein Bulldozer durch die Halle, was den Sänger zusätzlich forderte um dagegen anzusingen. Sicher eines der Highlights der Show. Die Ballade "Take On The World", die auf der CD meiner Meinung nach ein bisschen zu glatt poliert wirkt, funktionierte live um einiges besser. Die vermutlich geplante und brav auswendig gelernte Ansage vor dessen Beginn beklatschten die Leute ordentlich. Josh rief unter anderem dazu auf allen Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, Empathie entgegen zu bringen. Eine schöne Aussage, die in der heutigen Zeit umso treffender ist und die vortreffliche Leistung der Gruppe unterstrich. Vielleicht bewirkte das Älterwerden der Bandmitglieder die Entscheidung von der ersten CD Take Off Your Colours (2008) keinen Track ins Programm zu nehmen. Von den restlichen Alben und natürlich dem neuen Album gab es einen guten Mix. Zwischendurch verkündete Josh freudenstrahlend, dass seine Eltern und Schwester Elissa extra nach Wien geflogen waren um das Konzert zu sehen.

Zugabe einmal anders

Nach der Ballade mussten die Besucher zum Ausklang Oho-Oho Gesänge in einer vorher gelernten Tonlage vollführen während die Musiker -Mann für Mann- von der Bühne verschwanden. Von hinter der Bühne hörte man den Sänger immer wieder mit Hilfe seines Mikros diese Gesänge neu anzufangen. Nach wenigen Minuten waren Chris, Max, Dan und Matt, die sich ebenfalls auf der Seite versteckten, wieder an ihren Plätzen. In Windeseile stand Franceschi verschmitzt wieder in der Mitte und gluckste „ Do you guys want some more songs? Do you want some more music?  We thought we cut this encore bullshit!“ ins Mikrofon. So kann man es auch machen. Nur in den seltensten Fällen kommt eine Band nicht für eine Zugabe zurück. Mit den catchy Tracks "Lived A Lie" und "Give" erfüllten sie weitere Erwartungen der feiernden Fans. Danach bedankte sich Josh im Namen von You Me And Six artig bei der Menge und war überglücklich, dass ihr Konzert so gut ankam. Zum Abschluss setzen sie mit dem energiegeladenen "Room To Breathe" noch eines drauf.
Die eineinhalb Stunden vergingen wie Flug und YMAS' über die Jahre gereiftes musikalisches Können bot dadurch den Besuchern eine solide Show, wenn auch ohne große Überraschungen.
Bleibt zu hoffen, dass der nächste Auftritt der fünf jungen Herren Weybridge nicht wieder so lange auf sich warten lässt.

Setliste:
Night People
Underdog
Loverboy
Stay With Me
The Swarm
Spell It Out
Bite My Tongue
Swear
Fresh Start Fever
Heavy Soul
Reckless
No One Does It Better
Cold Night
Take On The World
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Lived A Lie
Give
Room To Breathe

Mehr Fotos von diesem Abend gibt es in unserer Bilderstrecke.

Stephanie Ambros