"I was beyond repair!"

Wir trafen Blood Youth Sänger Kaya Tarsus zum Interview und unterhielten uns mit ihm über die Entstehung ihres Videos zu "Reason To Stay", die Aufnahmen zu ihrem Debütalbum "Beyond Repair" und wie eine Begegnung mit einem Mann zu einer Songidee wurde.

In den britischen Medien sind Blood Youth aus Harrogate (England) schon länger keine Unbekannten mehr. Die Melodic Hardcore Band bestehend aus Kaya Tarsus (vocals), Chris Pritchard (Gitarre) und Sam Hallett (Drums) spielte schon im Vorprogramm von Acts wie Architects oder Beartooth. Als wir den Frontman am 27.10. 2017 vor ihrem Auftritt im WUK zum Interview treffen, sind sie gerade mit Real Friends, As It Is und Neck Deep unterwegs.
[Kleiner fun fact am Rande: Mit Matt Powels und Sam Bowden sind mittlerweile zwei ehemalige Blood Youth-Mitglieder bei Neck Deep. Ersterer ist als drum tech und Sam Bowden als Gitarrist.]

fm5: Ihr habt mit Inside My Head und Closure zwei Eps veröffentlicht, die als Geheimtipp galten. Am 07.April kam dann euer Debütalbum Beyond Repair auf den Markt. Seid ihr zufrieden damit, wie es ankam ist und wie waren die Reaktionen für euch?
Kaya:
Ja wir sind sehr glücklich. Alles was wir bis jetzt veröffentlichten, war ein Aufstieg für die Band und durch das Touren gewannen neue Fans. Das ist genau wie wir immer als Band sein wollten. Wir waren sehr glücklich damit, wie die Leute das Album aufnahmen. Unsere Herangehensweise bei Veröffentlichungen war immer "Lass uns ein paar Songs schreiben, rausbringen und schauen was passiert".  Und jedes Mal funktionierte es gut. Hoffentlich ist das nächste Mal dann nicht schlecht. (lacht)


Ihr habt mit Jonny Renshaw (Devil Sold His Soul, The Elijah) an der Platte gearbeitet. Wie war die Arbeit mit ihm? Kannst du uns ein bisschen über den Schreibprozess berichten? Wie lange habt ihr an daran gearbeitet? Was erwies sich als schwierig?
Jonny nahm all die Musik mit Chris [Pritchard] und Sam [Hallett] auf und kümmerte sich davor auch um unsere EPs. Die vocals nahm ich mit einem meiner besten Freunde Robin Adams auf, der ein sehr talentierter Produzent ist. Ich wollte etwas ziemlich "Echtes", als ich es aufnahm und dass es danach klingt. Manchmal, wenn du mit einem Produzenten arbeitetest den du nicht kennst, kann das unangenehm werden. Dieser lässt dann nur so leicht anklingen, dass wir was anderes probieren sollten. Mein bester Freund hingegen drehte sich einfach zu mir um und sagte mir, dass es Scheiße war und ich es nochmal machen sollte. Das half mir.
Also es war für dich ungezwungener.
Ganz genau. Ich war in meinem Pyjama als wir das alles aufnahmen. (lacht) Die Aufnahmen fanden in unserer Heimatstadt statt und wir erledigten alles in einer Woche. Einen Tag bevor wir mit dem Recording anfingen, ging mein Freund am Abend in einen Club, brach sich den Fuß und hatte am nächsten Morgen seine Operation. Wir begannen mit der Arbeit, als er am Abend aus dem Krankenhaus zurückkam und sein Fuß lag während des Aufnahmeprozesses die ganze Zeit auf dem Tisch. (macht ihn nach)
Ich fand das saukomisch und zusätzlich hatte er jede Menge Schmerzmittel intus. Es ist ein Glück, dass es gut klang, denn er war auf einem anderen Planeten. (lacht)
Was den Schreibprozess angeht, sollte das Album ziemlich dunkel sein und etwas sein, mit dem die Leute sich verbunden fühlen. Außerdem war es unser Ziel, dass es klang als würden wir alle zusammen in einem Raum spielen.

Gab es irgendwelche Schwierigkeiten während der Arbeit an eurer CD?
Nicht wirklich. Allerdings passierte in unserem Privatleben gerade eine Menge. Zu der Zeit als ich das Album schrieb, befand ich mich in einer Art Abwärtsspirale. Ich feierte und trank zu viel und blieb zu lange weg. Das alles spiegelte sich im Album wider. Unser Gitarrist Chris ging ebenfalls durch ziemlich persönliche Dinge in seinen Beziehungen und mit anderen Sachen...Wir überlegten sogar, ob das nicht gerade ein bisschen zu viel ist um erfolgreich aufnehmen zu können. Glücklicherweise hatten wir die Stärke das durchzustehen und ich denke man kann das alles auf dem Album hören.
Es wandte sich dann also doch noch zum Guten.
Genau wir kamen als stärkere und bessere Personen aus der Sache heraus, denn es brachte uns näher zusammen und wir unterstützten  uns gegenseitig. Ein paar Mal war es sehr emotional. So richtig mit Tränen, weinen und traurig sein. Wir sind sehr froh, dass wir es schafften das Recording durchzuziehen.

Kannst du uns eine Geschichte über einen der neuen Songs verraten, die ihr noch niemand erzählt habt?
(überlegt)
Ich versuche mir ein gutes Lied zu überlegen, denn es ist bei jedem Song ein anderer Schreibprozess.
Es gibt eine Story zu einem Lied, das "Parasite "heißt, welches wir heute unter anderem spielen werden. Ich berichtete schon ein ganz kleines bisschen darüber, aber nicht im vollen Detail. Wie ich vorher erzählte, ging ich an einem Abend aus - ganz alleine -und betrank mich. Mich verschlug es in eine Bar, in der ebenfalls ein Mann war -der sich wie ich, alleine betrank- und  wir begannen miteinander zu reden. Seine Freundin hatte an diesem Tag Schluss mit ihm gemacht und er meinte "Ich betrinke mich total und danach kämpfe mit jemand". So sah sein Plan aus: Ausgehen, einen Kampf beginnen und sich schlagen. Ich antwortete: " Woah! Warum willst du das tun?", denn er arbeitete in er Bank und führte ein ziemlich gewöhnliches Leben. Er hatte das Gefühl, sich mit jemanden zu schlagen, wäre der einzige Weg um mit seinen Kummer zu fertig zu werden. Irgendwie schaffte ich es ihm das auszureden. Auf dem Heimweg schrieb ich den Chorus zu "Parasite", denn ich dachte mir "Fuck. Das ist so verrückt". Als ich zu Hause war- so um 3 Uhr in der Früh- , begann das Lied zu schreiben. Ich traf den Mann nie wieder...Vielleicht hörte er sogar den Song und dachte das klingt ein wenig nach mir.


Wie würdest du die Weiterentwicklung eures Sounds von der EP zum Album beschreiben?
Auf den EPs haben wir herum experimentiert um zu sehen wie hart und wie melodisch wir werden können. Mit der CD entdeckten wir gewissermaßen unseren Sound. Wir fanden heraus wie viel wir singen und schreien wollen und wie viele Breakdowns  wir mögen. Ich denke, es wurde auf ganz natürlichem Weg reifer,  so wie wir als Männer erwachsener wurden.

Welche Bands und Künstler beeinflussten euch während der Arbeit an eurer Platte?
Sehr viel verschiedene Musik. Meine Lieblingsband ist Every Time I Die und diese beeinflusste mich.  Slipknot war ein großer Einfluss von und für Chris, speziell die Iowa Zeit. Die absolute Lieblingsband unseres Schlagzeugers Sam ist The 1975.
Also wenn du dich ein bisschen genauer hinschaust, speziell wenn du ein Drummer bist, dann nimmst du vielleicht das Poppige ein bisschen wahr. Ich denke man hört verschiedene Genres.
Wir sind natürlich auch von unseren Freunden wie Stray From The Path, Neck Deep usw. beeinflusst.

Was ist die Story hinter eurem CD-Cover und dem Titel? Ist das eine Person auf einem Balkon eines brennenden Hauses? Oder einfach nur Smog/Nebel?
Das ist der Punkt, wir wollten es nicht zu offensichtlich machen um den Leute die Möglichkeit zu geben selbst eine Interpretation dafür zu finden. Jede/r selbst kann sich überlegen, was da unten los ist.
Es ist ein bisschen wie in Pulp Fiction, wo er die Box öffnet, es ist nur ein goldenes Licht und man weiß nicht, was drinnen ist. Das ist quasi unsere Version davon. Das kann deine eigene Tragödie, deine eigene Traurigkeit, etc. sein, die du siehst. Was brennt da unten?  Was immer du willst! Deine Beziehung, dein Haus, was auch immer…
Wir nannten es Beyond Repair, denn zu dieser Zeit, als ich das alles durchgemachte und die ganze Zeit fortging,  versuchte ich mich selbst durch das Trinken glücklicher zu machen. Allerdings fühlte ich mich am nächte Morgen viel schlechter und es nicht aufwärts ging. Ich war 'beyond repair' und konnte mich nicht reparieren.

Euer Video zu "Reason To Stay" hat diese interessante, einfache aber effektive, Storyline, in der ein Paar an ihren Köpfen zusammengebunden ist. Wer hatte diese Idee?
Die Idee ist von mir. Ich ging zu einer Probe und mir kam der Gedanke von einem Paar, dass nur durch Bewegung kommuniziert und sich nicht sieht. Die Gesichtsausdrücke kann nur der Betrachter sehen. Ich weiß noch, dass ich ein Bild von Google speicherte mit dem Finger bearbeitete - das Band machte - an unseren Manager schickte und meinte, dass das meine Überlegung für das nächste Video ist. Wahrscheinlich habe ich es sogar noch auf meinem Handy. (lacht)
Es ist irgendwie eigenartig, dass jetzt so zu sehen, nachdem ich das schnell unterwegs zeichnete. Der Song ist über eine Beziehung, die ich hatte. Als meine Freunde das Video sahen, schrieben sie mir, sie wüssten genau warum es geht.
Ja, man kann es sehr gut nachvollziehen.
(erfreut) Danke!

Wie erlebt ihr als junge ambitionierte Band den Brexit, der ja erst im Anlaufen ist. Habt ihr schon mit irgendwelchen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt?
Ich kann nicht wirklich eine Antwort darauf geben, denn niemand in Großbritannien weiß, was damit ist. Jeder wartet darauf, dass irgendetwas geschieht. Auf dieser EU-Tour ist nichts passiert und wir spielen eine Menge europäische Shows. Hoffentlich schrammt es irgendwie vorbei und wir können es vergessen.

Was sind eure Pläne für die nächste Zeit? Habt ihr schon begonnen an neuen Songs zu arbeiten?
Ein paar Ideen haben wir schon und auch schon begonnen zu schreiben, jedoch hetzen wir uns nicht.

Fünf Tage nach dieser Tour [mit Neck Deep, Real Friends, As It Is] supporten wir Prophets Of Rage und das wird ziemlich verrückt. Wir können es immer noch nicht wirklich glauben. Immer wenn ich auf das Poster schaue, frage ich mich, wer das da unten ist. Ich warte darauf, dass jemand kommt und "Reingelegt!" ruft. Wir sind bei einigen Gigs ihre Vorband und ein Konzert ist zum Beispiel in einer Arena Deutschland. So klischeehaft das jetzt klingt, aber wir sind Typen aus einer kleinen Stadt und ich bin es gewohnt in Kellern zu spielen. In so einer großen Location auftreten zu dürfen ist crazy. Im Dezember spielen wir mit Caliban und Bury Tomorrow, also den Tag nach Weihnachten [26.12.2017]. Wir brechen genau am Weihnachtstag auf um auf Tour zu gehen, dennoch das ist schon okay.

Möchtest du den Lesern von fm5 noch etwas sagen?
Wenn ihr unsere Band hört, Dankeschön fürs Hören und für das Weiterhören! Falls  ihr uns noch nicht kennt, geht und hört mal rein! Es ist irgendwie hart, aber auch zugänglich, denke ich.

Danke für deine Zeit und für das Interview!
Ein Dankeschön an euch!

Aktuelles Album:
Blood Youth - Beyond Repair
Rude Records
VÖ: 07.04.2017

Stephanie Ambros
Julia
Wagner