David LaChapelle | Lost + Found

21 Jahre Warten hat sich gelohnt! Die beiden letzten Bände der fünfteiligen Anthologie von David LaChapelle - "Lost + Found, Part I" und "Good News, Part II" - sind im Taschen Verlag erschienen.

Begonnen hat David LaChapelle die Anthologie 1996 mit dem Bildband "LaChapelle Land". 1999 folgte "Hotel LaChapelle" und sieben Jahre später erschien "Heaven To Hell" (2006). Nun hat das Warten auf die letzten beiden Bände ein Ende und wir haben uns die neu erschienenen Bücher näher angesehen.

Die doppelten Innenseiten des Bucheinbandes zeigen wie umfangreich und vielfältig David LaChapelle's Schaffen ist und sind gleichzeitig ein Hinweis auf seine Kritik an Amerika. Zu sehen ist eine Gefängniszelle, die mit Ausdrucken tapeziert ist und stellvertretend für über 80.000 in Einzelhaft befindlichen Jugendliche und Erwachsene steht. Anstelle von Lebensvielfalt werden sie durch die Monotonie ihres Alltags und dem Fehlen von Reizen für die Wahrnehmung in der Zelle psychisch gefoltert.

"I once was lost" schreibt der Künstler einleitend. 


Lost + Found

In diesen Bildern fand David LaChapelle sich wieder: Sie sind opulent, farbenfroh, ausufernd und der lauteste Repräsentant der visuellen Popmusik. Zusätzlich wurden in den beiden Büchern bisher unveröffentlichte Werke abgedruckt.

Das Titelbild zeigt eine nackte Miley Cyrus in Einzelhaft, verloren, alleine gelassen, sich nach dem Licht des freien Lebens sehnend und steht im klaren Gegensatz zu dem Rest des Buches. Die Buchrückseite gibt die Antwort darauf: "I walk out of my prison" zeigt die US-Sängerin als auferstandenen Schmetterling, der sich seines Kokons entledigte und seine Flügel ausbreitet.

Pamela Anderson ist nicht nur das Playmate der 1980er, sie ist Davids "Soulmate forever". Katy Perry ist eine Sirene in einem Meer synthetischer Plastikbecher und versinnbildlicht den Abgrund auf den wir in unserer verschmutzten Welt zusteuern.

"Lose your dreams and loose you mind", erzählt uns Keith Richards.

Und dann wieder Pamela Anderson. "Forget the pain, let´s go insane!" Klare Ansage, ich bin dabei! Uma Thurman in "To glam to give a damn" ist auffällig in der Mitte positioniert. Kurz bleibt uns dann das Herz im Hals stecken: "A world famous singer drowns in hotel bath. Party goes on as planned four floors below." Britney Spears nimmt ein Bad. Decadence zeigt mit einem opulenten Finger auf das Blut armer Hände: "The insufficiency of all things attainable - blood diamonds and gold, lives of men bought and sold".

Und mittendrin der Meister höchstpersönlich: David LaChapelle in "Quest for illumination".

Celebrities in Band I: Miley Cyrus, Lady Gaga, Kanye West, Amber Rose, Nicki Minaj, Daphne Guinness, Dwayne Johnson, Pamela Anderson, Pharell Williams, Katy Perry, Andy Warhol, David Bowie, Keith Richards, Sergei Polunin, Rihanna, Amanda LePore, Chris Rock, Lana Del Rey, Ben Affleck, Eartha Kitt, Natalia Osipova, Uma Thurman, Amy Winehouse, Francis Bean Cobain, Britney Spears, Whitney Houston, Brittany Murphy, Kim Kardashian, Stefan Meier, Hillary Clinton, Julian Assange, Kenall Jenner, Bruce Jenner, Carmen Carerra, Kris Jenner, Paris Hilton


Good News

Die Werke stellen eine illuminierte Handschrift unserer Epoche dar. Dementsprechend drehen sich die Themen um Apokalypse, Porno, Pop, Religion, Konsum- und Körperfetischismus, Genderfragen und Spiritualität, sowie Bildzitate alter Meister und neue schillernde Phantasmen.

In diesem Band geht David LaChapelle weiter zurück in der Zeit seines Schaffens und spannt den Bogen von 1983 bis heute. Die hier veröffentlichten Werke sind eine vielfältigere Mischung als in "Lost + Found." Er beginnt mit früheren monochromen Arbeiten, Abzügen analoger Großformataufnahmen und vollzieht dann den Sprung zum Farbfilm und die ersten Anzeichen opulenter Farbgebung. Die damaligen Werke stehen im Zeichen von Unschärfe, Verschwommenheit und künstlerischer Spielerei, die durch Davids Lebenswerk erst Bedeutung bekommen. 

Michael Jackson: "And no message could have been clearer" in "Der Engel, der Teufel und die Schlange auf den Klippen des Lebens", sowie als vom Kreuz genommener, der in den Händen des American Jesus liegt - "Hold me carry me boldly".

"Seventytwo virgins" ist seine persönliche Interpretation der 72 Jungfrauen und erinnert an "Gullivers Reisen", doch wirkt diese Reise sehr jenseitig. Ob so das Leben nach dem Tod aussieht? Man hofft es nicht -  und zu dem Thema passend die andere Seite "Holy war - Lies - No war could ever be holy"

Im Gegensatz dazu stehen die Bilder der Serie "Airistocracy: Endless aquisitions and the race to nowwhere ..."

Für "The rooms I dwell in" wurde ein Querschnitt eines amerikanischen Hauses gebaut, wo der Künstler Einblick in den amerikanischen Alltag und sich selbst unter dem Titel "Self portrait as a house" gibt: Alkohol, Selbstbefriedigung, Lust, Zorn, bedingungslose Liebe, Religion, Spirit und Weisheit und Altern.

Celebrities in Band II: Sergei Polunin, Tupac Shakur, Michael Jackson, Janet Jackson, Elizabeth Taylor, Paris Jackson, Helen Suzman, Miriam Makeba, ...


Fazit

Wer Gefallen findet an der ausgefallen und schreienden Sprache in David LaChapelles Bildern, dem sind die beiden letzten Bände seiner Anthologie wärmstens empfohlen. Die Entwicklung des Künstlers hat hier noch lang kein Ende gefunden, aber mit Sicherheit einen zwischenzeitlichen Höhepunkt auf der Scala der optischen Dezibel.


David LaChapelle

David LaChapelle wurde 1969 in Connecticut geboren und kam Ende der 1970er nach New York, wo er in der legendären Disco Studio 54 arbeitete und dadurch Andy Warhol kennenlernte. Diese Bekanntschaft war für seinen weiteren Werdegang bahnbrechend. Zunächst arbeitete er für Warhol als Fotograf für das Interview-Magazin. Schon bald kamen die ersten Aufträge aus Mode- und Lifestyleszene.
In den 1990ern begann er seine üppigen und farbenfrohen Collagen und Bildwelten zu inszenieren. Die bekannte Transsexuelle Amanda LePore war damals seine Muse. Davis LaChapeele entwickelte seinen eigenen markanten Stil, geprägt von Opulenz und Farbenpracht, gleichsam einem barocken Maler im 20. und 21. Jahrhundert.
Die Liste seiner Preise und Auszeichnungen ist lang. Unter anderem erhielt er den MTV Europe Music Award, Cannes Gold Lion und den Vito Russo Award. In Österreich wurde er von Gery Keszler für die Gestaltung der Life Ball Kampagne 2014 engagiert.
 

David LaChapelle. Lost + Found. Part I
Hardcover mit Ausklappseiten in einer Box, 27,8 x 35,5 cm, 278 Seiten
€ 49,99
ISBN 978-3-8365-7045-9
(Deutsch, Englisch, Französisch)

 

David LaChapelle. Good News. Part II
Hardcover in einer Box, 27,8 x 35,5 cm, 276 Seiten
€ 49,99
ISBN 978-3-8365-7046-6
(Deutsch, Englisch, Französisch)

Markus Gollner