CHVRCHES: True Punk

Die schottische Elektro-Pop Band CHVRCHES kam für ihre erste Headline-Show in den Wiener Gasometer und zeigte was Perfektion heißt und richtiger Punk ist.

Den Abend eröffneten Anger aus Wien, die ihre Musik selbst als Hedonistpop beschreiben, für Musikjournalisten der Einfachheit halber unter die Marke Dreampop fällt. Julian Angerer und Nora Pider, das ist eine Story vom coolen Skatergirl und dem Emoboy aus Brixen in Südtirol, die wir an dieser Stelle der Review, allerdings auslassen. Mittlerweile haben die beiden in Wien angesiedelt und wer sich an diesem Abend dachte, die Vorband zu spritzen, weil "die österreichische Musikszene nichts zu bieten hat", der wurde eines besseren belehrt. Vielleicht war noch nicht alles perfekt und manche Songs dann doch zu verträumt, doch es lässt sich nicht abstreiten, dass sich die Halle des Gasometers immer mehr füllte und das sicher nicht nur um beim Hauptact in der ersten Reihe zu stehen zu können. Das eine oder andere Gitarren-Soli mischte sich nämlich auch in die stimmlich sehr dreamy-gehauchten Stücke und liebäugelte ab und an kurz schon mit ein bisschen Indie-Rock. "Wien! Wir haben euch Songs mitgebracht. Songs über Liebe und Wut, über Einsamkeit und Zweisamkeit", verkündete Bassistin Nora mit zarter Stimme. Lieder wie "You" aus ihrer EP Liebe und Wut standen auf ihrer Setlist und die beiden verstanden es gemeinsam beim Spielen zu posen. Die charmante Art und die nicht aufdringliche Musik, die dennoch nicht langweilig war, schaffte es einen in den Bann zu ziehen. Zur Unterstützung brachte das Duo für ihren Gig einen Schlagzeuger mit und performte ebenso noch das am Vortag veröffentlichte Lied " Find, Someone".  "Passt auf euch auf. Seid lieb zueinander. Es gibt so viel Scheiß auf dieser Welt und viel Spaß mit CHVRCHES!", hauchte dann auch noch Angerer ins Mikro, der sich an diesem Abend in ein interessantes Outfit geworfen hatte.

"True Punk"

Die perfekte Überleitung zum Mainact, der Punkt 21.15 Uhr in Form von CHVRCHES auf die Bühne trat, mit der stylischen Lauren Mayberry -gelbes Top und schwarzes Tutu- vorne weg.  Mit "Get Out" von ihrem aktuellen Album Love Is Dead zeigten die Schotten was Perfektion heißt und das ist hier keine Übertreibung. Mayberry, die sich mehrmals entschuldigte krank zu sein, ein Grippepulver auf der Bühne schluckte und zwischendurch brav ihren Tee aus ihrer Thermoskanne trank, beendete die Show ohne auch nur einen Song weniger zu singen oder zu krächzen. Von Anfang an wirbelte sie über die Bühne, dass ihr Röckchen nur so flog und man am liebsten mitgemacht hätte. Die Menge in der Mitte tanzte spätestens beim zweiten Song "Bury It" von Platte Nummer Zwei des Trios - Every Open Eye. An den Seiten zeigten sich die Zuschauer noch eher verhalten, selbst als die Lieder "Gun" und "We Sink" von ihrem Erstlingwerk The Bones Of What You Believe erklangen. Die CHVRCHES-Fans der ersten Stunde feierten und sangen schon aus vollem Hals mit der Frontfrau mit. Ihre zwei Bandkollegen Iain (sprich Ian) Cook und Martin Doherty gaben in der Zwischenzeit alles an ihren Synthesizern und wechselten zwischendurch auch -wie gewohnt- an Gitarre und Bass. "Thank you for coming out to see us", bedankte sich die Sängerin in ihrer gewohnt piepsigen Stimme mit dem herzigen schottischen Akzent. So unscheinbar die Sprechstimme und Größe Lauren vielleicht erscheinen lassen, sie hat ihr Publikum fest in der Hand und  nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Zu letzterem später mehr. Erst einmal durfte auch Martin den Rockstar geben und mit Mayberry Plätze tauschen. Nicht weniger professionell performte er die Stücke "God's Plan" und "Under The Tide" und in der Mitte des Gasometers war eine Dance Party zu den teilweise düster angehauchten Synthie-Klängen in vollem Gange. Bei "Miracle" übernahm wieder Lauren das Kommando und nun schienen auch die Menschen an den Seiten endlich aufgewacht zu sein. Schön war  danach "Sience/Visoins" von ihrer ersten Platte zu hören, bevor sie dann Songs vom dritten Album ein paar Klassiker wie "Recover und "Leave A Trace" raushauten. Nach "Recover" erklärte Lauren schelmisch, dass ihr Schlagzeuger - Jonny Scott- ein Mikro hätte, dass nur die Bandmitglieder hören könnten. Er hätte ihr gesagt "You have to do  it, Lauren. You have to do it..." Und meinte damit ihren Rotz/Schleim, während des Singens ausspucken, den sie wegen ihrer Erkältung loswerden musste.  "I guess that is true punk", meinte sie fachmännisch.
Als letztes Stück vor der Zugabe spielten Lauren, Iain und Martin ihren Hit "Clearest Blue". Circa 45 Sekunden später - laut Betonung der Frontfrau - fanden sie sich auf der Bühne wieder und die Leute erfreuten sich noch an "The Mother We Share" und "Never Say Die" bevor sie mit glücklichen, verschwitzten Gesichtern und Körpern den Saal verließen. Bei dieser top musikalischen Performance  und der gut gewählten Setlist, fehlte einem nicht noch einmal, das von einem österreichischen Radiosender viel gespielte "My Enemy" (feat. Matt Beringer).

Setlist:
1. Get Out
2. Bury It
3. Gun
4. We Sink
5. Grafitti
6. Graves
7. God's Plan (Martin)
8. Under The Tide (Martin)
9. Miracle
10. Science/Visions
11. Really Gone
12. Deliverance
13. Forever
14. Recover
15. Leave A Trace
16. Clearest Blue
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17. The Mother We Share
18. Never Say Die

Stephanie Ambros
Kathrin
Suppanz