Blade Runner 2049

Ridley Scotts Verfilmung von Philip K. Dicks Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen“ kam 1982 in die Kinos. Obwohl der Film zuerst schlechte Kritiken erntete, wurde er zu einem Kultfilm. 35 Jahre später kommt die Fortsetzung auf die Leinwand.

Die Vorgeschichte

Wir befinden uns im Jahr 2019 und Harrison Ford alias Rick Deckart jagt Replikanten - oder auch als Roboter, Androiden oder vermutlich am treffendsten als künstliche Menschen bezeichnet - und er ist der Beste darin. Er ist hinter einer Gruppe abtrünniger Replikanten her, die auf der Suche nach ihrem Schöpfer sind, um zu verhindern, dass sie in den Ruhestand geschickt, oder - genauer gesagt - getötet werden. Das Schwierige an Rick Deckarts Mission: Die Replikanten zeigen zutiefst menschliche Züge und auch von ihrem Erscheinungsbild sind sie auf den ersten Blick von richtigen Menschen nicht zu unterscheiden. 

„Replicants are like any other machine - they are either a benefit or a hazard. If they are a benefit, it's not my problem.“ Rick Decker

Es regnet, die Stadt versinkt im Smog und die einzige farbliche Abwechslung wird durch die allgegenwärtige Werbung erzeugt.

Die Jetztzeit

30 Jahre später, im Jahr 2049, regnet es noch immer, der Smog wird um radioaktive Verseuchung erweitert, der Staub färbt Las Vegas orange und Los Angeles ist unverändert trostlos. Nur die Müllberge im Umland sind größer geworden. 

LAPD Offizier „K“, gespielt von Ryan Gosling, ist ein Blade Runner und gerade dabei einen Replikanten, der in einer desolaten Abgeschiedenheit eine Proteinfarm betreibt, in den Ruhestand zu schicken (töten klingt einfach nicht schick), als er eine vergrabene Kiste mit einem Skelett findet. Bei der Untersuchung der Knochen finden sich Hinweise auf ein Kind, das es nicht geben dürfte, das sowohl genetisch als auch technisch unmöglich sein sollte. Sollte sich seine Existenz bewahrheiten, wäre das der Zünder für eine gigantische Umwälzung. "K´s" Vorgesetzte setzt ihn auf den Fall an und schickt ihn auf die Suche nach der Wahrheit. Schon bald führt die Spur nicht nur in ein verseuchtes Las Vegas, sondern auch in die Vergangenheit von „K“. Dieser beginnt seine Existenz zu hinterfragen.

Der Spagat zwischen 2019 und 2049

Regisseur Dennis Villeneuve stand vor einer enormen Herausforderung. Blade Runner aus dem Jahr 1982 ist ein Kultfilm, der Science Fiction Filme maßgeblich inspiriert und beeinflusst hat. Keine billige Hollywoodserie hat diesen Kult verwässert. Aber Dennis Villeneuve gelingt es an das Stimmungsbild seines Vorgängers anzuknüpfen. Das von ihm in Zusammenarbeit mit Ridley Scott (Executive Producer) geschaffene Sci-Fi Epos zeichnet sich durch seine langen Schnittsequenzen aus. Es bietet dem Zuseher ausreichend Gelegenheit, in diese ferne Welt optisch einzutauchen und sich in der Stimmung zu verfangen. Im Gegensatz zu den gegenwärtig üblichen raschen Abfolgen von Schnittsequenzen, die technische und gestalterische Unzulänglichkeiten kaschieren, ist Blade Runner 2049 ein optisches Meisterwerk an Detailtreue und kreativem Einfallsreichtum.

Die Filmmusik setzt gekonnt fort, wo der Dirigentenstock 1982 von Vangelis abgelegt worden war, und unterstreicht die regnerische und trostlose Stimmung in L.A. des Jahres 2049. Passend dazu untermalt Vangelis die Handlung mit Synthesizern. Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch zeigen sich ebenfalls für die akustische Untermalung des aktuellen Films zuständig und schaffen es hervorragend das optische Stimmungsbild musikalisch zu betonen.

Ryan Gosling tritt als "K" in die Fußstapfen seines Blade Runner Vorgängers, und dennoch gelingt es ihm seinem Charakter eine eigene Persönlichkeit zu geben. "K" wirkt nüchtern, pflichtbewusst und arbeitet gewissenhaft an seinem Auftrag. Der Baselinetest ist mittlerweile zur langweiligen Routine geworden. In seinem Appartment lebt er gemeinsam mit einer projizierten Hologramm-Lebensgefährtin, die ihm das Essen zubereitet und für Unterhaltung sorgt. Eine futuristische Geisha des 21. Jahrhunderts. Als "K" eines Abends ein Upgrade für sie mitnimmt, ist sie nicht mehr an den Projektor gefesselt und kann das gemeinsame Apartment verlassen. Erstmals in ihrem Dasein spürt sie Regentropfen auf ihrer binären Haut. Doch damit nicht genug: Sie bestellt für "K" eine Prostituierte, in deren Körper sie anschließend schlüpft, um sich wie ein Mensch zu fühlen. Auch hier zeichnet sich das Verlangen der künstlichen Intelligenzen nach Menschlichkeit ab. Die Grenzen verschwimmen und drohen zu fallen.

Bei Harrison Ford weiß man, was einen zu erwarten hat und man wird auch nicht enttäuscht: Hollywood Haudegen, Abenteurer und Blade Runner erster Klasse. Zwar ist er gealtert und die Bartstoppeln überwuchern sein Gesicht, dennoch ist er genau so misstrauisch und gerissen wie früher. Nur er kann Auskunft darüber geben, was damals geschah, als er mit Rachel, einer Replikantin, die Flucht ergriff. War es aus (gegenseitiger) Liebe? Kann Liebe zwischen Menschen und Replikanten überhaupt existieren? Können sie träumen, Gefühle empfinden und diese erwidern? Oder sind es nur programmierte Reaktionen?

Und dann gibt es noch unsere Erinnerungen. Auch Replikanten besitzen welche, die ihnen die Illusion eines richtigen Lebens, ein trügerisches Gefühl von Echtheit vermitteln sollen. Aber weshalb kann sich der Mensch sicher sein, dass seine Erinnerungen echt sind? Und wer schafft die Erinnerungen für die Replikanten? 

Während im ersten Teil von Blade Runner die Grenze zwischen Menschen und Replikanten zwar verschwommen, aber erkennbar war, so ist diese Grenze in der aktuellen Handlung nicht mehr frei ersichtlich. Menschen werden darin aufgrund der Art ihrer Zeugung und des natürlichen Geburtsvorgangs als Wesen einer "göttlichen" Schöpfung mit realen Gefühlen und Erinnerungen gesehen. Im Gegensatz zu den Replikanten, die lediglich nachgemachte Menschen darstellen - künstlich geschaffene und mit einer technischen Überlegenheit ausgestattete Maschinen. Moderne Sklaven ihm Dienst der Zivilsation.

"Every civilization was built on the back of a disposable workforce, but I can only make so many."

Doch diese Maschinen beginnen im Laufe der Zeit eine Art Seele zu entwickeln. "Cogito ergo sum","Ich denke, also bin ich". Der Mensch schien das einzige Wesen zu sein, das sich über die Schöpfung und die Bedeutung seiner Existenz Gedanken macht. Doch auch die Replikanten tun dies: Für sie stellt sich die Frage, ob es rechtmäßig ist, in den Ruhestand geschickt zu werden, nur weil sie Maschinen sind.

Ausblick

Wir sind fast im Jahr 2019 angekommen. Das Wetter wird extremer, der Feinstaub verklebt die Atemwege und die Müllberge erstrecken sich über die Größe eines eigenen Kontinentes - eine schleichende, driftende Kontinentalverschiebung, die alles mit Plastik vergiftet. An künstlichen Intelligenzen wird weiterhin intensiv geforscht, das Militär und die Wirtschaft sehen schon grandiose Erfolge auf sich zukommen und noch ertragreichere Bilanzen. Wir nähern uns einem Los Angeles aus dem ersten Blade Runner Film, auch wenn diese (fiktiven) Zustände in zwei Jahren noch nicht die gleiche Existenz angenommen haben.

Wenn die Blade Runner Filme seinen Zusehern eine Botschaft auf den Weg mitgibt, dann diese: Wir sind diejenigen, die noch etwas verändern können. Ansonsten steht unsere Zukunft wie im Buche geschrieben - oder besser gesagt - wie im Film vorgezeigt.

Blade Runner 2049
Kinostart: 05.10.2017
Science-Fiction. GB, Kanada, USA 2017. 163 Minuten.
Regie: Denis Villeneuve
Besetzung: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Jared Leto, uvm.

 

Markus Gollner